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Die große Sorge in Deutschland: Trotz aller Sicherheitsanforderungen in den Ausschreibungen könnte der Konzern technische Hintertürchen einrichten, die Chinas Geheimdiensten den Zugriff auf Daten ermöglichen

© REUTERS

Risiko von Spionage und Sabotage: Druck auf Merkel für eine „Lex Huawei“ wächst

Die Kanzlerin stemmt sich gegen einen Ausschluss des chinesischen Huawei-Konzerns beim Aufbau des 5G-Netzes – doch auch innerhalb der CDU wächst die Kritik.

Vor dem CDU-Parteitag am Freitag in Leipzig wächst der Druck auf Kanzlerin Angela Merkel und CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer den chinesischen Huawei-Konzern vom Ausbau des neuen 5G-Netzes wegen Sicherheitsrisiken auszuschließen. „Was den 5G-Netzausbau angeht, so handelt es sich um eine der weitreichendsten Weichenstellungen für Deutschland und Europa“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Norbert Röttgen (CDU) dem Tagesspiegel.

Zwei Anträge zum Ausschluss von Huawei

Hier bestehe das Potential für europäische Technologien und europäische Führerschaft in diesem Bereich. „Für diese sollten wir uns einsetzen und zugleich keinen chinesischen Staatseinfluss auf das 5G-Netz zulassen.“ Für den Parteitag gibt es zwei Anträge, die einen Ausschluss von Huawei fordern, Merkel will hingegen die Sicherheitsstandards der Ausschreibung so verschärfen, dass das Risiko von Spionage und Sabotage weitgehend ausgeschlossen wird. Die USA und auch deutsche Geheimdienste warnen eindringlich vor einer Beteiligung am 5G-Netz.

Huawei will Zweifel zerstreuen

Der chinesische Technologiekonzern mischt von Afrika über Südamerika bis Europa überall mit, wenn es um den Aufbau der neuen 5G-Mobilfunkgeneration geht. Mit einer Charmeoffensive versucht der Konzern, Bedenken gerade in Deutschland zu zerstreuen. Und zwar parteiübergreifend bei einer Entscheidung, die Folgen über die aktuelle Wahlperiode hinaus haben wird. So war der Konzern Sponsor beim FDP-Bundesparteitag, und die Huawei-Vizechefin empfängt am Mittwoch am Konzernsitz im chinesischen Shenzhen den Grünen-Politiker Jürgen Trittin. In anderen Regionen wie in Südamerika gibt es gezielte Austausch- und Förderprogramme für Journalisten, um Zweifel zu zerstreuen, dort ist Huawei in vielen Ländern Marktführer und sichert sich wie in Uruguay die Aufträge zum 5G-Aufbau.

Ein 5G-Logo vor einem Laden im chinesischen Hangzhou (Symbolbild).
Ein 5G-Logo vor einem Laden im chinesischen Hangzhou (Symbolbild).

© STR / AFP

Die große Sorge in Deutschland: Trotz aller Sicherheitsanforderungen in den Ausschreibungen könnte der Konzern technische Hintertürchen einrichten, die Chinas Geheimdiensten den Zugriff auf Daten ermöglichen – in der Union wird zudem auf die Gefahr von Sabotage hingewiesen, es handelt sich um eine der wichtigsten, sensiblen Infrastrukturen. 5G wird auch für die Zukunft des autonomen Fahrens gebraucht. Wenn das Netz lahmgelegt wird, sind die Folgen nicht auszudenken. Zudem können sich Codes auch später noch verändern lassen, eine hundertprozentige Sicherheit wird es nicht geben.

Geheimdienste warnen vor Beteiligung Chinas

Für den Parteitag gibt es zwei Anträge, die einen Ausschluss von Huawei fordern, Merkel will hingegen die Sicherheitsstandards der Ausschreibung so verschärfen, dass das Risiko von Spionage und Sabotage ausgeschlossen wird. Die USA und auch deutsche Geheimdienste warnen eindringlich vor einer Beteiligung am 5G-Netz. Auch FDP-Chef Christian Lindner fordert inzwischen ein 5G-Netz ohne Technik aus China. „Wir müssen gegenüber China deutlich machen, welchen Wert Freiheit und Bürgerrechten für uns haben“, sagte er dem Tagesspiegel. „Deshalb sollten deutsche Behörden keine Produkte von chinesischen Unternehmen beziehen, deren Produkte Kern des Systems der Massenüberwachung dort sind. Beim 5G-Netz sollten wir bereit sein, auf die Nutzung chinesischer Technik zu verzichten.“

SPD-Politiker warnen vor Huawei

Auch mehrere SPD-Abgeordnete drängen darauf, den chinesischen Telekommunikationskonzern Huawei beim 5G-Netzausbau in Deutschland außen vor zu lassen. „Beim Ausbau des 5G-Netzes sollten nicht-vertrauenswürdige Hersteller – insbesondere dann, wenn nichtrechtstaatlich kontrollierte Einflussnahme, Manipulation oder Spionage nicht auszuschließen sind – grundsätzlich ausgeschlossen werden“, fordern die Außen- und Wirtschaftspolitiker in einem Positionspapier, das dem Tagesspiegel „Background Digitalisierung“ vorliegt. „Die Frage, wer am Aufbau kritischer Infrastruktur beteiligt werden darf, muss vom Parlament beantwortet werden“, warnte der SPD-Bundestagsabgeordnete Jens Zimmermann vor Alleingängen der Bundesregierung.

Besucher einer Technik-Messe in Peking vor einem Huawei-Logo.
Besucher einer Technik-Messe in Peking vor einem Huawei-Logo.

© AFP

Der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin mahnte den raschen Aufbau europäischer Lösungen an, um die Abhängigkeit vor hier weit enteilten Konzernen wie Huawei zu mindern. „Die digitalen Infrastrukturen sind längst systemrelevant.“ Das habe die Bundesregierung seit Jahren verschlafen, Deutschland sei derzeit nicht in der Lage, seine kritische Infrastruktur effektiv zu schützen, sagte er dem Tagesspiegel. „Das betrifft nicht nur Huawei. Es betrifft die Router von Cisco wie die Clouds von Amazon und Microsoft.“ Sie alle verfügten nicht nur über vermutete, sondern über tatsächlich installierte Hintertüren. „Eines sollte die Bundesregierung nicht tun – sich in Trumps Wirtschaftskrieg gegen China zu seinem Alliierten machen. Trumps Kampf gegen Huawei ist der Versuch, die US-Dominanz in der Informationsindustrie zu monopolisieren“, betonte Trittin. Wer die notwendigen Sicherheitskriterien nicht erfülle, dürfe in besonders sicherheitsrelevanten Netzen nicht zugelassen werden. „Das gilt unabhängig von Hersteller und Herkunftsland.“ Es brauche viel mehr Anstrengungen im Bereich der Überprüfbarkeit von Hard- und Software, vor allem europäische Lösungen.

Drei Unternehmen dominieren den Markt

In einer Analyse der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) wird mit Blick auf eine Huawei-Beteiligung an den 5G-Netzen betont: „Die USA und ihre engsten Verbündeten aus der Nachrichtendienstallianz Five Eyes (Australien, Großbritannien, Kanada, Neuseeland) sehen hierin ein erhebliches Sicherheitsrisiko und den Versuch Pekings, Einfluss auf die digitale Infrastruktur westlicher Staaten zu gewinnen“. Einige der für 5G unverzichtbaren Komponenten würden weltweit „nahezu ausschließlich von drei Unternehmen angeboten: von Ericsson, Nokia und Huawei“.

Kanzlerin Merkel und CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer steht auch wegen Huawei ein schwieriger Parteitag bevor.
Kanzlerin Merkel und CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer steht auch wegen Huawei ein schwieriger Parteitag bevor.

© AFP

Ein Grund für die schnelle Ausbreitung von Huawei seien die niedrigen Preise. „Diese werden auf die geringen Produktionskosten in China und die gezielte Förderung Huaweis durch den chinesischen Staat zurückgeführt.“ Ohne Huawei würde es länger dauern und das 5G-Netz viel teurer.

CDU-Spitze will Kompromiss bei 5G-Ausbau

Die Enthüllungen von Edward Snowden haben aber dazu geführt, dass auch US-Anbieter nicht frei von Misstrauen betrachtet werden können. So setze die Regierung in ihrem Netz nicht länger Produkte des US-Unternehmens Verizon ein, betont die SWP-Analyse. Kanzlerin Merkel ist trotz aller Warnungen weiterhin gegen einen Ausschluss von Huawei. „Wir haben in der Bundesregierung nach reiflicher Überlegung entschieden, bei den Standards anzusetzen“, sagte Merkel nach der jüngsten Kabinettsklausur in Meseberg. Aber man brauche eine Verbesserung des Sicherheitsniveaus. Dies solle durch die Novelle des Telekommunikationsgesetzes erreicht werden. Dennoch könnte ihr genau dies beim CDU-Bundesparteitag am Freitag und Samstag in Leipzig auf die Füße fallen. Der Kreisverband Lahn-Dill fordert in einem Antrag: „Deutschlands Sicherheit nicht gefährden – Huawei vom 5G-Netzausbau ausschließen“. Und ein rund 500 Mitglieder umfassendes Bündnis um den Chef der Werteunion, Alexander Mitsch, fordert ebenfalls die Ablehnung des 5G-Netzausbaus durch Huawei.

Die CDU-Spitze um die Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer will einen kategorischen Ausschluss verhindern, die Antragskommission schlägt folgenden Kompromiss vor: „Die CDU Deutschlands tritt beim Ausbau des 5G-Netzes für höchste Sicherheitsanforderungen ein.“ Wichtig sei eine Kombination von strengen technischen Standards, geprüfter Vertrauenswürdigkeit der Hersteller und Diversifizierung der verwendeten Hard- und Software. Die CDU spreche sich dafür aus, das Thema zunächst im Bundestag im Rahmen der Novelle der Telekommunikationsgesetze zu beraten – und man will sich gemeinsam mit den EU-Partnern abstimmen.

Die Mitglieder der Bundesregierung bei der Klausurtagung des Bundeskabinetts in Meseberg.
Die Mitglieder der Bundesregierung bei der Klausurtagung des Bundeskabinetts in Meseberg.

© dpa

Als die künftige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor eineinhalb Wochen zu Gast im Kanzleramt war, kündigte sie eine Bestandsaufnahme unter den EU-Mitgliedstaaten zum Einsatz von Huawei bei Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes an. In den nächsten Wochen will sich die frühere Verteidigungsministerin, die am 1. Dezember ihr Amt antreten will, ein Bild über die unterschiedlichen Ansätze innerhalb der EU gegenüber dem chinesischen Konzern verschaffen. In jedem Fall dürfte die Frage, ob sich mit Huawei eher Chancen als Risiken verbinden, künftig stärker in den Fokus in Brüssel geraten. Voraussichtlich werden sich gleich zwei Schwergewichte in der Kommission mit dem Thema befassen: die designierte Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager und Binnenmarktkommissar Thierry Breton. Zusätzliche Brisanz wird der Ausbau des 5G-Netzes im kommenden Jahr erhalten, weil Deutschland während der EU-Ratspräsidentschaft im kommenden September beim EU-China-Gipfel  als Gastgeber auftritt.

Johnson brüskiert Trump beim 5G-Netzausbau

Kurzfristig steht der Ausbau der 5G-Netze bereits auf der Tagesordnung der europäischen Verkehrs-, Telekommunikations- und Energieminister Anfang Dezember. Dabei sollen nach den Angaben von EU-Diplomaten Schlussfolgerungen erarbeitet werden, in  denen Chancen und Sicherheitsrisiken des nächsten Mobilfunkstandards  erörtert werden.

Was die chinesische Beteiligung am Netzausbau anbelangt, so vollführen zahlreichen Mitgliedstaaten in der  EU derzeit ein Gratwanderung. So berichte die „Sunday Times“ Ende Oktober, dass der britische Regierungschef Boris Johnson dem chinesischen Konzern Zugang zum 5G-Netz verschaffen wollen. Dem Bericht zufolge will Großbritannien Huawei am Ausbau von „nicht strittigen“ Teilen des Netzes beteiligen. Das ist insofern bemerkenswert, als Johnson sich damit gegen  Donald Trump positioniert. Der US-Präsident möchte verhindern, dass die Europäer den Telekommunikationsausrüster aus Shenzhen mit offenen Armen aufnehmen. Gerade Johnson kann sich einen Affront gegenüber Trump nicht leisten – setzt der britische Regierungschef doch für die Zeit nach dem Brexit auf den Abschluss eines weit reichenden Freihandelsvertrages mit Washington.

US-Präsident Donald Trump warnt weltweit vor Huawei.
US-Präsident Donald Trump warnt weltweit vor Huawei.

© AFP

Einen vorsichtigen Kurs beim Umgang mit Huawei verfolgt auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Im vergangenen Mai erklärte er bei einem Technologie-Forum in Paris, dass nicht geplant sei, Huawei oder irgendein anderes Unternehmen auszuschließen. Vielmehr geht es nach den Worten von Macron in erster Linie darum, „nationale Sicherheit und europäische Souveränität zu erhalten“. Im Juli verabschiedete die Nationalversammlung in Paris dann eine „Lex Huawei“.

Das chinesische Unternehmen wird in dem Gesetz zwar nicht namentlich genannt. Dennoch ist klar, dass die Neuregelung auf den Technologiegiganten aus Fernost zielt. Demnach müssen Netzbetreiber vor dem Einsatz technischer 5G-Komponenten die Erlaubnis des Premierministers einholen. Der kann innerhalb von zwei Monaten den Einsatz verweigern, wenn ein ernsthaftes Risiko für die „Interessen der nationalen Verteidigung und Sicherheit“ besteht. Während die Politik weltweit in dieser brisanten Frage um Lösungen ringt, die viel mit der sich ändernden Weltordnung und wachsendem Misstrauen gegenüber China zu tun hat, scheinen sich junge Leute beim Einsatz chinesischer Digitalprodukte weit weniger Sorgen zu machen. Die umstrittene chinesische Video-App TikTok boomt weltweit – und soll allein in Deutschland inzwischen weit über fünf Millionen Nutzer haben.

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