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Robert Bosch Academy: Lachen der Erkenntnis

Der bulgarische Politikwissenschaftler Ivan Krastev analysiert heiter Probleme der Welt.

Zum Einstieg erzählt Ivan Krastev erst mal einen Witz. Drei Kinder, ein französisches, ein deutsches und eins aus der Schweiz, streiten darüber, wo die Babys herkommen. Der kleine Deutsche erklärt: Sie fallen vom Himmel! Quatsch, antwortet der kleine Franzose, sie kommen aus dem Schlafzimmer meiner Eltern! Moment, entgegnet der kleine Schweizer – wir sollten nicht verallgemeinern, es ist von Kanton zu Kanton unterschiedlich! Was der bulgarische Politikwissenschaftler damit sagen will? Zweierlei.

Erstens, dass er gerne lacht, was man Krastev im Gespräch auch ohne Witze durchweg anmerkt. Zweitens ist der Scherz ein Kommentar zu einem dreiteiligen, von Krastev initiierten Forschungskongress, dessen zweiter Abschnitt Anfang Juni in den Berliner Räumlichkeiten der Robert Bosch Stiftung stattfand. Unter dem Titel „Lessons of the Protest Wave in Europe“ diskutierte hier ein gutes Dutzend internationaler Teilnehmer über Gemeinsamkeiten und Unterschiede jener Protestbewegungen, die in den vergangenen Jahren Russland, Spanien, Bulgarien, die Türkei sowie zuletzt die Ukraine erschütterten.

Auf den ersten Blick hatten die regierungsfeindlichen Proteste in diesen Ländern so unterschiedliche Motive, Voraussetzungen und Ziele, dass ein Vergleich schwer möglich scheint. Darauf angesprochen, erzählt Krastev seinen Witz – um klarzumachen, dass übertriebene Angst vor Verallgemeinerungen auch nicht immer zielführend ist.

Anschließend listet er ein paar übergreifende Gemeinsamkeiten der Proteste auf: In allen Ländern wurden die Demonstrationen nicht von einer bereits bestehenden politischen Kraft wie etwa einer Partei initiiert; in allen Ländern empfanden sich die Demonstranten als Teil von etwas grundlegend Neuem; die Bewegungen zitierten sich gegenseitig in der Verwendung von Symbolen und Widerstandsstrategien; sie verknüpften ihre Regimekritik mit einer Kritik an den Mainstream-Medien; und in allen Ländern lösten ihre Proteste ähnliche Reaktionen seitens der Regierungen aus.

Ivan Krastev, der in Sofia das politikwissenschaftliche Zentrum für Liberale Strategien leitet, hat seinen Forschungskongress auf drei Teile angelegt: Ging es beim ersten Treffen in Barcelona im April dieses Jahres um die Sicht der Demonstrationsteilnehmer auf die Proteste, so stand in Berlin der Blick der Regierungen im Vordergrund, während beim Abschlusstreffen im Herbst in Sofia die Protestunterstützung durch Nichtregierungsorganisationen untersucht werden soll.

Aus Krastevs umfangreicher politologischer Tätigkeit – der 49-Jährige forscht unter anderem auch für das Wiener Institut für die Wissenschaften vom Menschen und ist Gründungsmitglied des Londoner European Council on Foreign Relations – sind diverse Publikationen hervorgegangen: Zuletzt veröffentlichte er 2013 „In Mistrust We Trust“, eine englischsprachige Analyse zum internationalen Vertrauensverlust gegenüber der Politik. Demnächst erscheint ein gemeinsam mit dem amerikanischen Politikwissenschaftler Stephen Holmes erarbeiteter Band über die Politik Wladimir Putins.

Seinen derzeitigen Forschungsaufenthalt in Berlin verdankt Krastev der Robert Bosch Stiftung, die ihn im Rahmen ihres Richard von Weizsäcker Fellowship Programms fördert. Was das für Vorteile mit sich bringt? „Niemandem beweisen zu müssen, dass meine Arbeit Relevanz für die nächsten 24 Stunden hat“, sagt Krastev – und schließt mit einem Witz: „Ich bin nämlich überzeugt davon, dass ein Großteil der Dummheiten in dieser Welt von Menschen herrühren, die ihre eigene Relevanz beweisen wollen.“

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