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Politik: Römischer Regisseur

Wie Berlusconi mit einem Nazi-Vergleich das Europaparlament düpiert – und einen SPD-Abgeordneten beleidigt

Von T. Gack, M. Feldenkirchen

und A. Dernbach

Solche Szenen haben sie im eher beschaulichen Europaparlament noch nicht erlebt. Nur mit Mühe gelingt es dem Parlamentspräsidenten, die hochschlagenden Wogen nach dem Eklat wieder zu glätten. Dabei hatte die Sitzung eigentlich wie erwartet begonnen. Mit Protest, verbaler Kritik, aber auch mit lang anhaltendem Beifall hatten die Volksvertreter Europas den neuen EU-Ratspräsidenten Silvio Berlusconi in Straßburg empfangen. Gerade als dieser begonnen hatte, sein Arbeitsprogramm für die nächsten Monate vorzutragen, hatten Abgeordnete der Grünen ihm im Plenum Plakate entgegengereckt, darauf der Verfassungsgrundsatz: ,,Alle sind gleich vor dem Gesetz".

Später folgten dann die Attacken des Vorsitzenden der deutschen Gruppe in der Sozialistischen Fraktion, Martin Schulz. Er warf dem italienischen Regierungschef vor, die fremdenfeindlichen Äußerungen seines Ministers Bossi zu decken, die im Widerspruch zur Europäischen Menschenrechtscharta stünden. In einer polemischen Erwiderung entgleiste daraufhin der italienische Ministerpräsident mit der Attacke auf Schulz, die er danach als ,,ironische Antwort auf die Beleidigungen meiner Person durch den Abgeordneten" bezeichnete. Vom Fraktionsvorsitzenden der Sozialisten Baron Crespo aufgefordert, die beleidigenden Äußerungen zurückzunehmen, weigerte sich Berlusconi hartnäckig. Er habe Schulz aber nicht beleidigen wollen, beteuerte er später bei einer Pressekonferenz.

Schnell drang die Eklatkunde aus Straßburg nach Berlin. Schon der europapolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Hintze, mochte Berlusconi nicht verteidigen: „Das möchte ich nicht kommentieren“, sagte der CDU-Mann. In der SPD-Parteizentrale reagierte man mit diplomatisch gedämpfter Empörung auf Berlusconis Aussagen. „Im Zusammenhang mit den zahllosen Menschen, die der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zum Opfer gefallen sind, darunter viele Sozialdemokraten, verbietet sich jede Ironie“, erklärte SPD-Generalsekretär Olaf Scholz.

Es ist nicht das erste Mal, dass Berlusconi mit umstrittenen Äußerungen ins Fettnäpfchen tritt. Größten Anstoß erregte er rund zwei Wochen nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA, als er in Berlin sagte: „Unsere Zivilisation ist dem Islam überlegen.“ „Wir müssen uns der Überlegenheit unserer Zivilisation bewusst sein, die aus Prinzipien und Werten besteht, die einen breiten Wohlstand für die Allgemeinheit gebracht haben“, sagte Berlusconi weiter. „Bei uns werden die Menschenrechte sowie die religiösen und politischen Rechte respektiert, was es in den islamischen Ländern sicher nicht gibt. Bei uns gibt es Verständnis für die Vielfalt und Toleranz. Die Fähigkeit zur Integration, zur Toleranz, zur Solidarität machen aus unserer Gesellschaft etwas, worauf man stolz sein kann.“ Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amre Mussa, sprach anschließend von einer „rassistischen Erklärung“. Die EU distanzierte sich von Berlusconis Attacke. Er selbst distanzierte sich am nächsten Tag: „Einige aus dem Zusammenhang gerissene Worte sind falsch interpretiert worden.“ Es tue ihm Leid, wenn dadurch „die Gefühle meiner arabischen und muslimischen Freunde verletzt worden“ seien. (mit dpa)

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