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Politik: Römischer Spielverderber

Mit sichtlichem Vergnügen hat Silvio Berlusconi sein kommissarisches Amt angetreten. Noch am Sonntagabend suchte er das Gebäude des Außenministeriums in Rom auf, sprach aber nicht mit einem einzigen Wort von Europa.

Mit sichtlichem Vergnügen hat Silvio Berlusconi sein kommissarisches Amt angetreten. Noch am Sonntagabend suchte er das Gebäude des Außenministeriums in Rom auf, sprach aber nicht mit einem einzigen Wort von Europa. Wer sich klare Worte bezüglich des italienischen Interesses an der Union erwartete, der ging leer aus. Scheinbar war es ihm viel wichtiger, so zitiert ihn "La Repubblica", "meine Ideen von einer grundlegenden Reform der Arbeit dieses Ministeriums" zu verkünden. Dass diese Ideen nicht viel mit Europa zu tun haben, das war seit der Regierungsübernahme Berlusconis klar. "In der Außenpolitik", sagte er nun, "gebe ich die Ziele vor, und das heißt zuerst einmal, dass der Minister und die Botschafter den italienischen Export fördern müssen." Damit die Angesprochenen auch wissen, was sie zu tun haben, sollen sie spezielle Ausbildungskurse besuchen.

Bekannt ist, dass Berlusconi den transatlantischen Beziehungen zu Washington eine Vorrangstellung einräumt. "Unsere Beziehungen zu den USA", sagte er nach seinem Wahlsieg im Mai, "sind für mich sehr wichtig." Dass er die Außenpolitik der ehemaligen britischen Premierministerin Margaret Thatcher mehrfach würdigte, lasse, sagte der ehemalige linksdemokratische Außenminister Giorgio Napolitano, "nichts Gutes erwarten".

Die Tatsache, dass gleich mehrere Minister der Mitte-Rechts-Regierung sich kritisch über den Euro und die Union äußern, könnte zu einer Wende in den Beziehungen zu Brüssel führen. Gianfranco Fini, Parteisekretär der rechten Nationalen Allianz, Berlusconis wichtigster Koalitionspartner und einer der Kandidaten für die Nachfolge von Ruggiero, meinte, dass "wir nicht europafeindlich sind, sondern nur die Idee des Nationalstaats nicht unter den Tisch fallen lassen wollen". Fini spricht von einem "Europa der Nationalstaaten", scheint sich aber, sagte Oppositionsführer Francesco Rutelli, "nicht klar darüber zu sein, dass so ein Europa einer europäischen Union im Weg steht". Sollte Fini tatsächlich neuer Außenminister werden, meint Rutelli, "dann bedeutet das das Ende des europäischen Musterschülers Italien". Die Italiener, erklärt der Historiker Vittorio Vidotto, "waren nach Kriegsende die energischsten Befürworter eines vereinten Europa". Nach den Umfragen, sagt Vidotto, sei das heute noch genauso.

Thomas Migge

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