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Roland Koch zieht nach 100 Tagen positive Bilanz

© dpa

Roland Koch im Interview: "Erdrückende Hypothek für Steinmeier"

Hessens Ministerpräsident Roland Koch spricht mit dem Tagesspiegel über Linksbündnisse, eine Koalition mit den Grünen und die Dauer seiner Minderheitsregierung.

Herr Koch, wie lange kann Hessen noch von einem geschäftsführenden Ministerpräsidenten verwaltet werden?

Solange Hessen einen verabschiedeten Haushalt hat, ist der gegenwärtige Zustand akzeptabel. Auf dieser Basis kann ich eine Menge Entscheidungen treffen und treffe sie auch. Von bloßer Verwaltung kann also keine Rede sein. Ich merke auch im Tagesgeschäft nicht ununterbrochen, dass wir in Hessen unklare Mehrheitsverhältnisse haben. Aber ich lehne mich nicht zurück in dem Glauben, das ginge ewig so. Der Landtag muss Ende Februar, Anfang März über den Haushalt abstimmen. Dann kommt es zum Schwur.

Und wenn das Parlament keinen neuen Haushalt verabschieden kann, wollen Sie Neuwahlen durchsetzen und an der Spitze der CDU in den Wahlkampf ziehen?

Wenn es eine Mehrheit für einen Haushalt gibt, dann soll diese Mehrheit auch regieren und muss dann auch einen Ministerpräsidenten im Parlament zur Abstimmung stellen. Wenn ein Landtag aber weder in der Lage ist, einen Haushalt zu verabschieden, noch einen neuen Ministerpräsidenten zu wählen, dann müssen sich alle Gedanken machen, wie es weitergeht.

Wären Neuwahlen dann die sauberste Lösung?

Ich glaube, der Druck auf alle Parteien würde dann sehr groß, einen solchen Zustand der Lähmung zu beenden. Das kann Neuwahlen bedeuten. Das kann aber auch zu Koalitionsbildungen führen, die bisher nicht möglich erscheinen.

Rechnen Sie damit, dass SPD-Landeschefin Ypsilanti nochmals versuchen wird, Sie mit Hilfe der Linken aus dem Amt zu hebeln?

Wenn ich mich recht erinnere, hat der SPD-Vorsitzende Beck dazu gesagt, man renne nicht zweimal mit demselben Kopf gegen dieselbe Wand. Ich bin mir da im Fall von Frau Ypsilanti nicht so sicher. Sie wird sich des hohen persönlichen Risikos bei einer geheimen Ministerpräsidentenwahl im Landtag bewusst sein. Andererseits wird sie wissen, dass viele in ihrer Landes-SPD Neuwahlen fürchten. Sicher ist nur, dass alle neuen Versuche, mit Grünen und Linkspartei einen Linksblock zu organisieren, die Chancen der SPD im Bundestagswahlkampf unrettbar schädigen würden. Das wäre auch für einen Kanzlerkandidaten Steinmeier eine erdrückende Hypothek.

Die Hessen-SPD plant für Mitte September einen Parteitag. Erwarten Sie zwei Wochen vor der Bayern-Wahl eine Vorentscheidung?

Sollte sich Frau Ypsilanti von der Hessen-SPD einen Freifahrschein für Verhandlungen über einen Linksblock geben lassen, wäre das für die CSU in Bayern ein unglaubliches Wahlgeschenk, für das sie sich bei der hessischen SPD und Frau Ypsilanti bedanken müsste.

Die Grünen verlangen von der SPD eine schnelle Entscheidung.

Das finde ich auch sehr interessant. Jeder weiß doch, dass Frau Ypsilanti bei einer Kandidatur zur Ministerpräsidentin ihre politische Existenz aufs Spiel setzen muss. Den Grünen ist das offenbar aber ziemlich egal.

Andererseits hat die Union mit der Debatte um längere Laufzeiten für Atomkraftwerke bei den Grünen alte Feindbilder belebt. Warum sollten die Grünen einem bekennenden Atomkraftbefürworter wie Ihnen zur Rückkehr an die Macht verhelfen?

An dieser Frage würde eine Zusammenarbeit ganz sicher nicht scheitern, da die Musik bei der Kernenergie im Bund spielt. Unabhängig davon mehren sich bei diesem Thema Stimmen bei den Grünen, die auf Pragmatismus statt auf Dogma setzen. Wenn es zu ernsthaften Gesprächen in Hessen käme, dann sind Punkte wie der Ausbau des Frankfurter Flughafens schwieriger. Der wäre für mich auch nicht verhandelbar. Der Streit über Bundesthemen kann da vergleichsweise einfach geregelt werden: Im Streitfall enthalten wir uns im Bundesrat.

Bleiben Sie bei Ihrer Aussage, wonach der Neubau von Atomkraftwerken nicht ausgeschlossen werden sollte?

Ich habe immer gesagt, dass die Frage, wie wir mit der Kernenergie umgehen, erst im nächsten Jahrzehnt beantwortet werden sollte. Dabei bleibt es. Derzeit sehe ich keinen Bedarf für einen Neubau. Längere Laufzeiten halte ich dagegen für zwingend notwendig.

Herr Koch, angesichts steigender Benzinpreise verlangen die CSU, der DGB und eine Mehrheit der SPD-Landesverbände Entlastungen für Pendler. Halten Sie trotzdem an Ihrem Nein fest?

Eine Rückkehr zur alten Pendlerpauschale oder eine andere Form der direkten Entlastung der Autofahrer ist der falsche Weg. Das sehe ich wie Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der Staat darf nicht die Illusion erwecken, er könne den Anstieg der Energiepreise für den Bürger kompensieren – oder jedes Hoch und Runter mitmachen. Wenn es um Entlastungen geht, müssen wir uns auf Steuerentlastungen für den Mittelstand und auf Hilfe in Notlagen konzentrieren. Dies muss immer unter der Prämisse geschehen: Keine neuen Schulden.

Die Fragen stellte Stephan Haselberger.

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