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Roland Koch: Neue Freunde gesucht

Heute darf Roland Koch den Dalai Lama begrüßen – sein Alltag im linken Landtag ist dagegen eher mühsam.

Hessens Landtag wird diesen Donnerstag seine Aktuelle Stunde ohne Ministerpräsident Roland Koch (CDU) bestreiten müssen. Denn der empfängt auf dem Rhein-Main-Flughafen seinen langjährigen Freund, den Dalai Lama. Bei seinem Einsatz für die kulturelle und religiöse Selbstbestimmung der Tibeter weiß der geschäftsführende Ministerpräsident eine breite Mehrheit des Landtags hinter sich – ganz im Gegensatz allerdings zur hessischen Landespolitik.

Hessens CDU-Regierung fehlt bei vielen Themen die Mehrheit. Zudem muss Koch mit einem zweiten Anlauf der SPD- Landeschefin Andrea Ypsilanti zu einer Minderheitsregierung rechnen. Denn trotz Lockerungsübungen, die Koch seiner CDU verordnet hat, zeigen die umworbenen Grünen bislang wenig Neigung, in ein Jamaika-Bündnis mit CDU und FDP einzutreten. Wenn Koch nun am Samstag erneut für den CDU-Landesvorsitz kandidiert, gilt seine Wiederwahl zwar als sicher. Ob er aber wieder 97,8 Prozent der Delegiertenstimmen auf sich vereinigen kann, ist nach den Verlusten bei der Landtagswahl noch nicht ausgemacht.

Die selbstbewusste Hessen-CDU und ihr erfolgsverwöhnter Chef machen in diesen Tagen einen schmerzlichen Lernprozess durch. Erst zu Wochenbeginn zog die Regierung einen Erlass aus dem Verkehr, der Landesminister und Staatssekretäre von den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung freistellte. Die Regierung kam damit einem Landtagsbeschluss zuvor, mit dem die SPD das „Raserprivileg“ verurteilen wollte. Aus Rücksicht auf die Lobby der Gastwirte und auf die FDP wiederum hatte Sozialministerin Silke Lautenschläger unlängst signalisiert, dass sie sich eine Lockerung des Rauchverbots für „Einraumkneipen“ vorstellen könne. Doch SPD, Grüne und Linkspartei winkten ab. Dagegen forderte die Landtagsmehrheit Innenminister Volker Bouffier auf, für Hessens Wiedereintritt in die Tarifgemeinschaft der Länder zu sorgen und auf Abschiebungen von Flüchtlingen aus Afghanistan zu verzichten. Auch wenn sich Bouffier über diese Beschlüsse hinwegsetzt, für neue Gesetze braucht er dann den Landtag. Seinen Vorstoß, in Hessen die Online-Durchsuchung zu erlauben, scheiterte nicht nur am Widerstand der linken Mehrheit. Selbst der Wunschkoalitionspartner FDP wies das Vorhaben zurück. Die Liberalen legten sogar ein neues Polizeigesetz vor, das von Bouffier eingeführte Verschärfungen rückgängig machen soll.

Auch in der Bildungspolitik, einst Aushängeschild der CDU-Regierung, hat diese noch keinen eigenen Kurs gefunden. Kultusminister Jürgen Banzer bemüht sich erkennbar um einen Konsens zur Reform der verunglückten Verkürzung der gymnasialen Schulzeit auf acht Jahre (G8). Banzer will es inzwischen nicht nur den kooperativen Gesamtschulen, sondern auch den Gymnasien freistellen, G8 ganz abzuschaffen und wieder zu G9 zurückzukehren, eine vor der Landtagswahl undenkbare Entwicklung. Beim Reizthema Studiengebühren wirbt Ministerpräsident Koch inzwischen für das „Hamburger Modell“, nach dem Studiengebühren erst nach dem Studium fällig werden. Doch SPD, Grüne und Linkspartei sind offenbar entschlossen, die Studiengebühren ganz abzuschaffen.

Während sich die beiden anderen Stellvertreter der CDU-Bundeschefin, Kanzlerin Angela Merkel, als „Arbeiterführer“ profilieren (Jürgen Rüttgers in NRW) oder gen Berlin streben (Christian Wulff in Niedersachsen), ist Roland Koch mit seiner „Nachspielzeit“, wie Kochs Regierungssprecher und Schalke-Fan Dirk Metz formuliert, in Hessen gebunden. „Meine Juristen haben mir klargemacht, dass ich nicht einmal zurücktreten kann“, resümiert der geschäftsführende Ministerpräsident selbst.

„Nicht ohne Reiz“ sei seine neue Situation, sagte Koch dennoch dem Tagesspiegel. Und auch der Parteitag am Samstag könnte reizvoll werden. Nach den Verlusten bei der Landtagswahl rechnet CDU-Generalsekretär Michael Boddenberg mit einer richtungweisenden Rede des Landesvorsitzenden und mit einer lebhaften Debatte. Anders als in den Vorjahren will er sich diesmal auf einen Zeitpunkt für das Ende der Veranstaltung nicht festlegen. Die hessische CDU hat ein Stück Berechenbarkeit eingebüßt.

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