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Politik: Rot-Grün erntet Kritik von zwei Seiten - Professoren sind gegen den Ausstieg, die Umweltverbände enttäuscht

Die Atompolitik der rot-grünen Koalition kommt von zwei Seiten unter Beschuss. Am Mittwoch forderte ein Initiativkreis von 570 Professoren in einem Memorandum an Bundeskanzler Schröder (SPD) eine "ernsthafte Neubewertung" der Atomkraft und einen Verzicht auf den Ausstieg.

Von Robert Birnbaum

Die Atompolitik der rot-grünen Koalition kommt von zwei Seiten unter Beschuss. Am Mittwoch forderte ein Initiativkreis von 570 Professoren in einem Memorandum an Bundeskanzler Schröder (SPD) eine "ernsthafte Neubewertung" der Atomkraft und einen Verzicht auf den Ausstieg. Gleichzeitig drangen die fünf großen Umweltverbände auf schnellen Ausstieg aus der Kernkraft und den Verzicht auf weitere Atommüll-Transporte. Die Öko-Organisationen kündigten bundesweite Proteste gegen jeden Transport abgebrannter Brennelemente an.

Die Professoren verschiedener Fachrichtungen kommen in ihrem Zehn-Punkte-Papier zu dem Schluss, dass die technische Weiterentwicklung die Atomkraft zu einer sicheren und umweltfreundlichen Methode der Stromerzeugung gemacht habe. Eine Kernschmelze mit katastrophalen Folgen für die Umwelt lasse sich mit neuen Techniken ausschließen. Dank Nachrüstungen in Milliardenhöhe zählten die deutschen Reaktoren zu den sichersten der Welt. Wenn man alle Faktoren von der Rohstoff-Gewinnung bis zum Betrieb rechne, seien die gesundheitlichen Risiken der Atomkraft nicht höher als die der Windkraft, sagte der Sprecher der Gruppe, der Stuttgarter Energiewissenschaftler Alfred Voß.

Auch mit Blick auf die Klimabelastung und die volkswirtschaftlichen Folgen sei ein Atomausstieg kontraproduktiv. Es könne nicht sein, dass an der Schwelle zum 21. Jahrhundert überholte Parteitagsbeschlüsse aus den 70er und 80er Jahren zur Richtschnur der Politik von SPD und Grünen würden, sagte Voß.

Völlig entgegengesetzt die Haltung der fünf großen Umweltverbände BUND, Greenpeace, NABU, Deutscher Naturschutzring und Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz. Sie zeigten sich bei einer Protestaktion vor dem Atomkraftwerk Krümmel in Niedersachsen von einem Jahr Rot-Grün enttäuscht. Die Regierung müsse endlich einen raschen Atomausstieg durchsetzen und dafür sorgen, dass kein hochradioaktiver Müll mehr durch Deutschland transportiert wird. Die Wiederaufarbeitung im Ausland müsse die Regierung sofort verbieten. Nach Darstellung der Verbände sind die Zwischenlagerbecken für verbrauchte Kernbrennstäbe an sieben deutschen Reaktoren in Kürze voll. Neun Kraftwerke hätten mittlerweile neue Atomtransporte beantragt. Zur Zeit gilt noch ein Transportstopp, den die CDU-Umweltministerin Angela Merkel nach dem Skandal um verseuchte Transportbehälter erlassen hatte. Die Umweltschützer kündigten Proteste gegen jeden neuen Transport an. Der industrienahe "Informationskreis Kernenergie" verbreitete derweil eine Umfrage des Allensbacher Meinungsforschungsinstituts, nach der die Zahl der bekennenden Atomgegner abnimmt. 1992 hätten sich noch 18,6 Prozent der über 14-jährigen als Atomgegner bezeichnet, heute seien es 11,8 Prozent. Zugleich sei aber ein Viertel aller Befragten für einen raschen Atomausstieg.

Druck auf die Regierung kam auch von der Opposition: FDP-Chef Wolfgang Gerhardt kündigte an, dass seine Partei einen Atomausstieg rückgängig machen werde, sollte sie je wieder an einer Bundesregierung beteiligt sein. Er könne sich nicht vorstellen, dass SPD und Grüne ein Abonnement auf Wahlsiege in den nächsten 20 Jahren hätten.

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