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Politik: Rot-Grün in NRW braucht einen neuen Ausgleich zwischen Umwelt und Wachstum (Kommentar)

Als Bärbel Höhn ihr Ministeramt vor fünf Jahren antrat, legte sie sich selbst die Latte hoch. Ja, sie gab unumwunden zu, wenn am Ende der Legislaturperiode der Eindruck vorherrsche, sie habe überwiegend blockiert, dann sei etwas falsch gelaufen.

Als Bärbel Höhn ihr Ministeramt vor fünf Jahren antrat, legte sie sich selbst die Latte hoch. Ja, sie gab unumwunden zu, wenn am Ende der Legislaturperiode der Eindruck vorherrsche, sie habe überwiegend blockiert, dann sei etwas falsch gelaufen. Die Wähler haben offenbar dieses Urteil gesprochen, denn Möllemann konnte mit seinen "Tempo"-Sprüchen ja nur deshalb landen, weil er damit dem Grundgefühl von vielen Menschen entsprochen hat. Eine Million Wählerstimmen hat die rot-grüne Koalition in Nordrhein-Westfalen verloren, die rechnerische Regierungsfähigkeit blieb erhalten, weil auch die CDU wegen ihres blassen Kandidaten und der Spendenaffäre massiv Stimmen eingebüßt hat.

Wenn Wolfgang Clement in diesen Tagen eine kritische Bestandsaufnahme der rot-grünen Politik macht, wird das mancher Grüne zwar als Folterinstrument wahrnehmen, aber wer bei diesem Gedanken stehen bleibt, begreift nicht, worum es wirklich geht. Die rot-grüne Koalition hat nur eine Chance, wenn sie ihr Politikspektrum erweitert, wenn sie andere Antworten als in der Vergangenheit gibt. Die große Mehrheit der Menschen versteht eben nicht, wieso zum Beispiel um den Ausbau des Flughafens Münster/Osnabrück gestritten wird. Die Start- und Landebahn ist für einen vollgetankten Airbus zu kurz. Natürlich hält das niemanden davon ab zu fliegen: Die Menschen fahren - vorzugsweise mit dem Auto - nach Düsseldorf, Frankfurt oder gleich nach Amsterdam und Maastricht.

Der Ausbau des Flughafens kommt nicht voran, weil sich Bärbel Höhn mit den anderen Ministerien darüber streitet, wie breit ein Tunnel für den Elting-Mühlenbach ist. Der Flughafen-Besitzer will aus Sicherheitsgründen eine 300 Meter breite Brücke über den Bach bauen, die Umweltexperten wollen nicht mehr als 210 Meter zugestehen. Gestritten wird also über 90 Meter, zum Schutz der Lurche im Bach. Beispiele wie dieses lassen sich viele zwischen Rhein und Weser finden. Mal kann eine Ortsumgehung nicht gebaut werden, weil Grünflächen betroffen sind; dann wird ein Gewerbegebiet, in dem Arbeitsplätze entstehen, behindert, weil der Ausgleich unterschiedlicher Interessen zu viel Zeit beansprucht.

Natürlich kann man die Umweltinteressen nicht wegwischen, auch die Lurche im Mühlenbach haben ihre Rechte; selbst wenn Möllemann sie gerne benennt, um Bärbel Höhns Politik zu karikieren. Es geht also nicht darum, die Umweltinteressen zu opfern. Wer das will, der sollte sich im Ruhrrevier umschauen. Dort hat man die Natur 100 Jahre gefoltert, und sie leidet bis heute an den Wunden. Die schlichte Blockade, das Wort "Nein", reicht aber auch nicht. Gefragt ist ein fairer Interessenausgleich zwischen Umwelt und Arbeit, wobei in Zeiten von hoher Arbeitslosigkeit Chancen auf neue Beschäftigung besonderes Gewicht haben.

Diese Güterabwägung muss stattfinden, und gelegentlich wird man sich für weitere Eingriffe in die Umwelt entscheiden müssen, wenn damit Verbesserungen an anderer Stelle verknüpft werden. Entscheidend ist allerdings etwas anderes: Diese Güterabwägung muss zügig erfolgen - mit Tempo, in diesem Punkt hat Möllemann Recht. Und für die Grünen läge eine Chance darin, sich auf diesem Feld neu zu positionieren.

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