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Kunterbunt wie Pudding: Rot-Rot-Grün in Berlin

© dpa/Martin Schutt

Rot-Rot-Grün in Berlin: Guter Wille allein wird nicht reichen

Am rot-rot-grünen Berliner Kabinett werden viele innere und äußere Kräfte zerren. Die Parteien steigen mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen in die Regierungsarbeit ein. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ulrich Zawatka-Gerlach

Team komplett, sagt man im Eishockey. Am 8. Dezember wird fliegend gewechselt, auch die Trikots bekommen eine neue Farbe. Der rot-schwarze Senat tritt ab, Rot-Rot-Grün eilt aufs Spielfeld – und will schnell punkten. Ob das gelingt, hängt nicht zuletzt von den Frauen und Männern ab, die in zwei Wochen schwören müssen, ihr Amt gerecht und unparteiisch zu führen und ihre ganze Kraft dem Wohle des Volkes zu widmen. Die neue Berliner Landesregierung wird alle Hände voll zu tun haben, um dieses Versprechen einzulösen.

Den guten Willen wird man keinem der elf Senatsmitglieder absprechen wollen. Doch schon im Vorfeld der Kabinettsbildung kommen erste Zweifel auf, ob die Bemühenszusage reichen wird. Denn es gehen von der Personalauswahl der künftigen Regierungsparteien sehr unterschiedliche Signale aus.

Die SPD: Bleibt so

Der SPD-Landeschef und Regierende Bürgermeister Michael Müller macht weiter so. Das neue Genossen-Quintett im Senat ist das alte, dem SPD-Wahlkampfmotto folgend: Berlin bleibt… Für die Übernahme des Finanzsenators Matthias Kollatz-Ahnen gibt es gute fachliche Gründe, doch bei Andreas Geisel, Dilek Kolat und Sandra Scheeres half nur die Müller’sche Notfallrettung, um die allzeit loyalen und dem innerparteilichen Proporz entsprechenden Senatsmitglieder im Amt zu halten.

Die Grünen erzielen Proporz durch Quereinstieg

Ach ja, der Proporz. Bei den Grünen haben sich die verschiedenen Strömungen im Zuge der Senatsbildung schon gefährlich verwirbelt. Alle wollen sich in der neuen Regierung wiederfinden – die Realos und Linken, die Migranten und Queers, die Klimaschützer und NGO-Lobbyisten. Die hauptstädtischen Grünen sind immer noch eine Klientelpartei wie aus dem Bilderbuch. In dem ganzen Tumult ließen sich, mit Ramona Pop und Dirk Behrendt, eine Frau für die Wirtschaft und ein Mann für die Justiz noch relativ reibungslos finden.

Doch ein weißer, pragmatischer Hetero als Verkehrssenator, gemeint ist der Pankower Stadtrat Jens-Holger Kirchner, das ging gar nicht. Stattdessen fanden die Grünen nach hektischer Suche in letzter Minute eine parteilose Energiefachfrau, die öffentliche Verwaltung und kommunale Verkehrsplanung erst einmal üben muss.

Die Linkspartei ist gestählt und angriffslustig

Und die Linke? Nach einem schwierigen, aber lehrreichen Jahrzehnt im Berliner Senat unter Klaus Wowereit haben den Sozialisten weitere fünf Jahre in der Opposition gutgetan. Die Partei präsentiert sich gestählt und erfrischt. Ihr Personal im neuen Senat ist politisch erfahren, angriffslustig und gestaltungsfreudig. Im Streit um die Volksbühnen-Intendanz legt sich der designierte Kultursenator Klaus Lederer jetzt schon mit Michael Müller an, der das Kulturressort demnächst abgeben muss.

Die künftige Stadtentwicklerin Katrin Lompscher saß bereits im Senat, ihre Genossin und Kollegin Elke Breitenbach ist mit der Sozialpolitik seit 15 Jahren verwachsen. Das Linken-Trio wird sich im neuen Senat nicht die Butter vom Brot nehmen lassen.

Schaunwermal. Am 8. Dezember wollen sich Klaus Lederer (Linke), der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Ramona Pop (Grüne) zu Senatoren wählen lassen und mit dem Regieren beginnen.
Schaunwermal. Am 8. Dezember wollen sich Klaus Lederer (Linke), der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Ramona Pop (Grüne) zu Senatoren wählen lassen und mit dem Regieren beginnen.

© Wolfgang Kumm/dpa

Es ist, alles in allem, ein kunterbuntes Kabinett, an dem viele innere und äußere Kräfte zerren werden. Ob die Chemie zwischen den elf Akteuren stimmt, ob sie als Team bestehen, wird sich zeigen. Das Schicksal der neuen Müller-Regierung hängt aber von etwas anderem ab. Der Senat darf sich nicht in rot-rot-grünem Schnickschnack verlieren, sondern muss an der Seite aller Berliner stehen, wenn es um die Bewältigung des Alltags und die Funktionsfähigkeit der Stadt geht.

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