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Rot-Rot-Grün: Modellland gesucht

Immer wieder reicht es für SPD, Linke und Grüne zur Mehrheit. Oft aber machen sie nichts daraus – wohl auch 2010 in NRW.

Von Matthias Meisner

Berlin - „Eine doofe Lage.“ Hans-Christian Ströbele, einer der Wortführer des linken Flügels der Grünen, mag nichts schönreden, wenn er an die Landtagswahl am 9. Mai 2010 in Nordrhein-Westfalen denkt. Seine Partei könnte dort nach Umfragen zusammen mit SPD und Linken auf eine rechnerische Mehrheit kommen, also die schwarz-gelbe Regierung von CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers ablösen. Nur: Die drei Parteien sind nicht auf einem Nenner. In der Linkspartei gibt es starke Kräfte, die viel lieber in die Opposition gehen würden, die SPD hat kein Verhältnis zur Linken gefunden und die Grünen schauen sich auch nach anderen potenziellen Partnern um. Ströbele sagt: „Ich würde mir wünschen, dass Rot-Rot-Grün in so einem wichtigen Land klappt. Aber ich kann die Probleme ja nicht einfach wegdiskutieren. Nach derzeitigem Stand hat das keine Chance.“

Auch der Kölner Linken-Bundestagsabgeordnete Paul Schäfer sagt, es werde „verdammt schwierig“, seine Parteifreunde zu überzeugen, in NRW die Option für eine Regierungsbeteiligung oder wenigstens eine Tolerierung zu eröffnen. Er selbst meint: „Für einen guten Wahlerfolg muss man vermitteln, dass man den Wechsel will.“ Und weiß doch, dass in den eigenen Reihen „die Skepsis überwiegt“. Es gebe einen „harten Stimmungsblock“ gegen eine Regierungsbeteiligung, auch SPD und Grüne sieht Schäfer als „Unsicherheitsfaktoren“ für eine Liaison.

Das Problem der Strategen, die nach einem Referenzprojekt für Rot-Rot-Grün im Bund suchen: Nicht nur in Nordrhein-Westfalen ist die Situation kompliziert. Zwar wird bis zur Bundestagswahl 2013 noch in zehn Ländern gewählt. In einzelnen Ländern wie Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern sind rot-rote Bündnisse denkbar, Grüne werden dort wohl nicht gebraucht. Rot-Grün in Bremen will es wieder allein schaffen, Hamburg wird von Schwarz-Grün recht erfolgreich regiert. In Bayern und Baden- Württemberg, wo die Linke bei den vergangenen Landtagswahlen gescheitert ist, spricht nichts für ein Linksbündnis, in Rheinland-Pfalz wenig. Auch in Niedersachsen hat die Linke einen starken radikalen Flügel, der der SPD eine Kooperation schwer machen wird.

Die frühere stellvertretende PDS-Chefin Angela Marquardt, die heute für die SPD arbeitet und im Auftrag der „Denkfabrik“ ihrer Bundestagsfraktion jüngere Politiker von SPD, Linken und Grünen ins Gespräch bringt, sagt: „Es gibt gerade keine Stimmung für Rot-Rot-Grün, weder in der Bevölkerung noch in den Parteien. Doch so ein Bündnis braucht einen Vorlauf, man kann das nicht einfach machen.“ Der Linken-Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich, Sprecher des Reformerflügels, nennt es ärgerlich, dass Chancen für die Bildung linker Regierungen in Serie vergeigt wurden, erst in Hessen, später auch in Thüringen und im Saarland. Schuld mögen vor allem die anderen gewesen sein – in Hessen und Thüringen die SPD, an der Saar die Grünen –, die Suche aber geht weiter: „Es wäre besser, wenn wir 2013 auf ein gut funktionierendes Bündnis verweisen könnten“, sagt Liebich.

Und wenn nicht? „Dann muss es auch so gehen. Ein K.-o.-Kriterium darf das nicht sein.“ Die Chancen, Rot-Rot-Grün bald mal irgendwo auszuprobieren, stehen schlecht, gibt Liebich zu. Immerhin ein mögliches Modellland hat er im Auge – die Hauptstadt selbst. Denn in Berlin könnte es nach der Wahl im Herbst 2011 sein, dass zwei Parteien alleine keine Regierungsmehrheit haben. Ein Bündnis von SPD, Linken und Grünen wäre dann – wer auch immer dann die stärkste Kraft wird – „eine Option, auf die man sich einstellen muss, und für Berlin als Ost-West-Stadt auch nicht so übel“. Das übrigens sieht auch der Berliner Grünen- Veteran Ströbele so.

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