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Berliner Koalition: Michael Müller und Frank Henkel.

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Rot-schwarze Koalition: Müller und Henkel - Vier Hände für Berlin

Es wird sich bald zeigen, ob es in der Berliner Koalition in Zukunft rauer zugehen wird. Je mehr Aufbruch, je mehr Debattenfreude es beim zweiten Start der rot-schwarzen Koalition gibt, umso besser. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Auf doppelbödige Anspielungen versteht sich Klaus Wowereit. Ein Paket Büroklammern schenkte er Michael Müller, als der vor einer Woche seinen Schreibtisch im Roten Rathaus übernahm. Das sollte auf Eberhard Diepgen anspielen, der seinem Nachfolger Wowereit einst nicht mal Büroklammern zurückgelassen hatte. Man kann es auch anders verstehen. Wowereit wurde mit Büroklammern jedenfalls nie in Verbindung gebracht. Seit den 80er Jahren stehen derlei Utensilien bei Sozialdemokraten auch in keinem guten Ruf. Die Klarsichthülle symbolisierte Hans-Jochen Vogels Führungsstil, der nach dem Abgang des Charismatikers Willy Brandt mit strikter Kontrolle und penibler Disziplin einen soliden Verwalter gab. Als Zeit des Aufbruchs gilt die Zeit in der SPD nicht.

Nun sollte gerade im rasant sich verändernden Berlin niemand ordnende Hände gering schätzen – oder auch vier. Denn neben Michael Müller, der es noch vor sich hat, als Regierender Bürgermeister seinen eigenen Weg nach dem Abgang des Charismatikers Wowereit zu finden, kommt es auf den CDU-Chef Frank Henkel an. Auch der Innensenator wird seine neue Rolle erst finden müssen. Vor allem am Senatstisch werden sich nach dem Abschied von Wowereit und dem mitunter bissigem Finanzsenator Ulrich Nußbaum die Gewichte neu tarieren.

Müller hat als Senator mit Mobilität, Wohnungsbau und umweltverträglicher Stadtentwicklung die wichtigsten Themen der wachsenden Stadt solide und sachkundig verantwortet. Eine durchschlagende Erfolgsstory aber war es nicht. Manches ist liegen geblieben oder steht wie beim Wohnungsbau noch am Anfang; die Tempelhof-Niederlage kam hinzu.

Frank Henkel tritt in der Koalition leise auf

Henkel wiederum wird vorgeworfen, er trete in der Koalition zu leise auf. Er werde zur rechten Zeit klare Forderungen an den neuen Regierenden Bürgermeister stellen, entgegnete Henkel auf dem CDU-Parteitag im Herbst fast trotzig. Kritik gibt es aus verschiedenen Richtungen: Konservative Mitglieder bemängeln, dass die CDU ihr Wahlversprechen nicht einlöst, in Berlin aufzuräumen. Aufmerksam wird zugleich der Übertritt von zwei CDU-Verordneten in die SPD registriert, denen bei der CDU eine moderne Hauptstadtpolitik fehlt und die über den wenig aktiven Innensenator und verkrustete Polizeistrukturen frustriert sind. Programmatische Impulse kommen nur sehr zurückhaltend. Dass die CDU etwa unter dem Titel „Berlinvision21“ seit dem Frühling einen großangelegten Dialog mit den Berlinern führt, haben von denen noch nicht viele gemerkt.

Auf der Senatsklausur am 8. Januar können Müller und Henkel abstecken, was die zentralen Anliegen der SPD/CDU-Koalition für die knapp zwei Jahre bis zur nächsten Wahl sind. Da wird sich zeigen, ob es künftig rauer in der Koalition zugehen wird. Dass sich die beiden Spitzenleute zu einem dynamischen Duo zum Besten der Stadt ergänzen, ist zu wünschen. Möglich ist aber auch eine gegenseitige Neutralisierung der äußerlich verschiedenen, aber auch sehr ähnlichen Spitzenleute. Beide sind eher zögerlich als angriffslustig. Henkel hat scheinbar nur das Ziel, auch nach der Wahl wieder mitzuregieren, und Müller wägt die Wagnisse ebenso genau wie jedes Wort. Eines kommt hinzu. Klaus Wowereit, frei von Parteiämtern, nahm zuweilen wenig Rücksicht auf seine SPD und stand nie im Verdacht, die Senatskanzlei als Parteizentrale misszuverstehen.

Sensibel sein für Veränderungen, aber nicht überempfindlich; kritische Worte nicht als Ablehnung, sondern als Gesprächsangebot verstehen – das kann helfen, wenn man Berlin regieren will. Je mehr Aufbruch, je mehr Debattenfreude es beim zweiten Start der rot-schwarzen Koalition gibt, umso besser. Vertrauensvoll verwalten, sachkundig abarbeiten, eine Politik der Büroklammern also, ist zu wenig. Das gilt für SPD und CDU. Die Union verschickt dieser Tage übrigens als Weihnachtsgruß ein kleines Büchlein: „Berlinvision21: So will ich leben“. Das Buch hat lauter leere Seiten.

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