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Politik: Roter Ausnahmefall

Foto: Rückeis / Montage: DP HINTER DEN LINDEN Was prägt unsereinen? Die Gene, gewiss.

Von Robert Birnbaum

Foto: Rückeis / Montage: DP

HINTER DEN LINDEN

Was prägt unsereinen? Die Gene, gewiss. Vater, Mutter, Tante Maria und Cousin Johannes, auch klar. Der doofe Französisch-Pauker und der klasse Deutschlehrer, der einen Monat lang keine andere Hausaufgabe aufgab als die, einen Krimi zu schreiben. In dem hat das Opfer übrigens stark an den doofen Französisch-Pauker erinnert. Jeder kann die Liste verlängern. Aber es prägt noch etwas anderes: Landschaften, Atmosphären – man würde es Heimat nennen, wäre das Wort nicht aus der Mode gekommen.

Reden wir also von Hellefeld. Hellefeld im Sauerland, 904 Einwohner, ist weniger bekannt als neuerdings Sundern, liegt aber nur ein paar Kilometer östlicher und gehört gemeindemäßig dazu. Die Gegend um Hellefeld heißt „Altes Testament“. Die Lokalhistoriker streiten, ob wegen der 1100 Jahre alten Kirchengeschichte oder wegen der 22 Kirchen und Kapellen im Sprengel. Zu den Zeiten, von denen wir reden, war der Name immer noch zutreffend. Am Reformationstag pflegten die katholischen Bauern auf ihren Feldern Gülle zu fahren. Die sehr kleine evangelische Diaspora konterte damit, dass sie an hohen katholischen Feiertagen die Wäsche draußen auf die Leine hing, selbst und gerade wenn es zufällig regnete. Und dann gab es den Dicken Becker. Amtlich hieß der Gasthof „Zur Post“. Aber der Dicke Becker war der Wirt und – nun ja, sehr, sehr dick. Außerdem ein strenger Herr. Wer Sonntags bei ihm ein Bier wollte, musste vorher in der Kirche gewesen sein, mindestens am Samstag in der Vorabendmesse. Becker erfuhr immer, wer nicht war. Ausnahmen von der Ausschanksperre gab es für Auswärtige und für gottlose Rote. Schon logisch, dass der Franz ein Roter wurde.

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