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Politik: Rückkehr der bösen Menschen

Von Moritz Schuller

In den USA kommt gerade der erste Hollywoodfilm über die Anschläge vom 11. September in die Kinos, in London vereitelt die Polizei nach eigenen Angaben einen „Massenmord unvorstellbaren Ausmaßes“. Die Zeit für eine kulturelle Aufarbeitung bleibt uns nicht, der Terror läuft weiter. In der Realität. Noch ist nicht einmal klar, ob der jüngste Selbstmordanschlag auf zehn Flugzeuge verhindert oder lediglich verzögert wurde.

Dass es England getroffen hat, ist kaum überraschend. Erst vor wenigen Monaten waren Muslime durch London marschiert und hatten Plakate hochgehalten, auf denen „Europa ist das Krebsgeschwür, Islam ist die Heilung“ und „Zur Hölle mit der Freiheit“ stand. Eine verschleierte Frau kündigte Europa den „wirklichen Holocaust“ an. Es ist anzunehmen, dass auch jene 24 Verdächtigen, die in London und Birmingham festgenommen wurden, begeistert an dieser Demonstration teilgenommen haben.

Der britische Innenminister spricht etwas unbeholfen von „sehr bösen Menschen“ und wagte gleichwohl nicht, ihre ethnisch-religiöse Identität zu lüften. So erfolgreich die Polizeiarbeit in diesem Fall auch gewesen sein mag: Sollten die aktuell Verdächtigen – wie die Täter bei den Anschlägen auf die Londoner U-Bahn vor einem Jahr – aus der Mitte der Gesellschaft kommen, gäbe es gute Gründe, die englische Beschwichtigungspolitik gegenüber der eigenen militant-islamistischen Gemeinschaft infrage zu stellen. Deutlicher als auf der Demonstration im Februar kann man seine Ziele ja schließlich kaum formulieren.

Denn wer denkt, solche radikalen Demonstranten durch den Bau einer prächtigen Moschee im Kiez, oder, wie nun erschreckend offen debattiert wird, durch die Abschaffung des Staates Israel besänftigen zu können, ist naiv. Deren politisches Ziel ist längst die Islamisierung Europas; die historische Wunde heißt für sie nicht Israel, sondern Al Andalus, der Rückzug der Muslime aus Spanien vor vielen Jahrhunderten.

In den fünf Jahren von New York bis London ist mit der islamistischen Herausforderung auf durchaus unterschiedliche Weise umgegangen worden, in New York anders als in London. Verschwunden ist sie aber weder durch Kriege noch durch Versöhnung, und auch nicht durch den Kampf gegen den Kern von Al Qaida. Der Dschihad ist, das lässt sich in England gut beobachten, nämlich auch zu einer kulturellen Modeerscheinung unter muslimischen Jugendlichen geworden. So verschwindet der Konflikt nicht, wie auch immer man ihn zu lösen versucht, er eskaliert vielmehr.

Und auch wenn die Anschläge verhindert werden können – dass sie unsere Freiheit einschränken, lässt sich nicht verhindern. Sollten die Attentäter wirklich mit flüssigem Sprengstoff hantiert haben, hätte die Bedrohung eine ganz neue Dimension. Die massiven Einschränkungen im Flugverkehr – unsere Realität – würden langfristig erhalten bleiben: kein Handgepäck, nichts Flüssiges mehr ins Flugzeug. Ein Schneesturm hätte am Londoner Flughafen sicher das gleiche Chaos verursacht, ein Streik der Pilotengewerkschaft auch. Und die Demütigung, um einen Begriff aus dem Kampf der Kulturen ins Spiel zu bringen, bei der Passkontrolle den Babybrei löffeln zu müssen, um dessen Gefahrlosigkeit unter Beweis zu stellen – wir werden mit ihr leben lernen. Es wird jedoch ein Leben sein, in dem die Bedrohung nur noch in Schach gehalten, nicht aber ausgemerzt werden kann. Das Modell für eine solche Lebenssituation liefert, kaum überraschend, Israel.

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