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Politik: Rücktritt des französischen Ministers Strauss-Kahn führt zur bislang schwersten Krise zwischen Präsident und Premier

Der Rücktritt des Pariser Finanzministers Dominique Strauss-Kahn hat eine schwere Krise zwischen Präsident Jacques Chirac und Premierminister Lionel Jospin ausgelöst. Bei der ersten Ministerratssitzung nach der Demission sei das Klima zwischen Chirac und Jospin "eisig" gewesen, heißt es in Paris.

Der Rücktritt des Pariser Finanzministers Dominique Strauss-Kahn hat eine schwere Krise zwischen Präsident Jacques Chirac und Premierminister Lionel Jospin ausgelöst. Bei der ersten Ministerratssitzung nach der Demission sei das Klima zwischen Chirac und Jospin "eisig" gewesen, heißt es in Paris. Kurz darauf kam es zum Eklat: Jospin beschuldigte den Präsidenten, "während 20 Jahren" ein "organisiertes System" der "persönlichen Vorteile" errichtet zu haben. Chirac warf seinem Premier daraufhin vor, er habe die Selbstbeherrschung verloren.

Dabei handelt es sich um die bisher härteste Konfrontation in der 1997 begonnenen "Kohabitation" zwischen dem gaullistischen Präsidenten und seinem sozialistischen Premier. Bisher waren die beiden "Chefs der Exekutive" meist wegen Sachthemen wie der 35-Stunden-Woche aneinander geraten. Nun greifen sie sich erstmals auch persönlich an.

Besonders pikant ist Chiracs Vorgehen. Der Präsident warf Jospin nicht nur vor, den "kühlen Kopf" verloren zu haben - was dem Verdikt gleichkommt, der Premier sei seinem Amt nicht gewachsen. Bereits seit einiger Zeit scheint der Gaullist auch minutiös die Attacken der Opposition auf den Regierungschef vorzubereiten. Folgt man Presseberichten, so werden Parlamentsanfragen vom Generalsekretär des Elysée-Palasts, Dominique de Villepin, persönlich vorbereitet. Letztlich wären die gaullistischen Spitzen also von Chirac ferngesteuert.

Jospin versuchte zunächst, Chiracs Attacken, die nach dem Rücktritt Strauss-Kahns auch auf ihn zielten, mit einem kategorischen Dementi abzuwehren. Dabei ging es vor allem um die Studentenkasse MNEF, die im Mittelpunkt der Korruptionsaffäre steht. "Persönlich, politisch und beruflich habe ich mit der MNEF nichts zu tun", beteuerte der Premier. Als die Gaullisten aber weiter stichelten, ging Jospin zur Gegenoffensive gegen ihren mutmaßlichen Drahtzieher Chirac über. Das "organisierte System der Vorteile", von dem Jospin sprach, ist eine Anspielung auf das Pariser Rathaus, wo Chirac von 1977 bis 1995 Bürgermeister war.

Das "System Chirac" wird derzeit von der Justiz unter die Lupe genommen - insgesamt laufen zwölf Ermittlungsverfahren gegen Chirac-Vertraute wie den heutigen Bürgermeister Jean Tiberi. Am Mittwoch wurde der Präsident sogar vom Obersten Gerichtshof vorgeladen. Doch Chirac zog es vor, die Klage eines Umweltschützers schlicht zu ignorieren.

ebo

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