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Politik: Rückzug auf Türkisch

Ankara will seine Truppen nicht unter US-Kommando stellen

Zumindest die Türkei glaubten die USA für ihren Krieg gegen Irak gewonnen zu haben, nachdem Ankara den kleinen Finger gereicht und einem begrenzten Durchmarsch von US-Truppen nach Nordirak zugestimmt hatte. Ein großes Missverständnis war das, wie die türkische Führung jetzt klarstellte, als Washington nach der ganzen Hand griff. „Die Türkei wird in einem solchen Krieg weder für Saddam noch für Bush kämpfen, sondern nur für sich selbst“, erklärte der Chef der türkischen Regierungspartei AKP, Recep Tayyip Erdogan.

Bis Washington das verstanden und schriftlich zugesichert hat, soll die Erlaubnis zur US-Truppenstationierung auf Eis gelegt werden. Festhalten will die Türkei in dem Abkommen, dass ihre Truppen nicht auf Bagdad marschieren, sondern sich nur um die Wahrung der türkischen Interessen im Nordirak kümmern werden – und zwar in eigener Regie und unter eigenem Befehl.

Anlass für den Krach ist der amerikanische Anspruch, beim Einmarsch nach Nordirak das Oberkommando auch über die türkischen Truppen zu führen. Die türkischen Militärs und Politiker wollten ihren Ohren nicht trauen, als die Amerikaner mit dieser Erwartung herausrückten. „Unfassbar“, empörte sich der türkische Generalstab. „Sie sollten sich nicht erdreisten, die türkische Armee mit Gurkhas zu verwechseln.“ Als „Beleidigung“ der türkischen Nation verurteilte auch AKP-Chef Erdogan das amerikanische Ansinnen. „Ich will ein für allemal klarstellen, dass die türkische Armee nur unter eigenem Befehl handelt“, erklärte Erdogan.

Das Problem für die Amerikaner besteht darin, dass sie den Kurdengruppen im Nordirak schon weitreichende Versprechungen in die andere Richtung gemacht haben. Ein Treffen zwischen den nordirakischen Kurdengruppen, der türkischen Regierung und dem US-Kontaktmann zur irakischen Opposition, Zalmay Khalilzad, endete letzte Woche in Ankara ohne Einigung über ein gemeinsames Vorgehen im Kriegsfall. Die Kurden lehnen einen türkischen Einmarsch im Nordirak strikt ab, die Türken wollen ihren Hinterhof nicht unbeaufsichtigt lassen, wenn dort Krieg ausbricht. Um die Kurden zu beschwichtigen, versprach Khalizad ihnen schließlich, dass die türkischen Truppen beim Einmarsch unter US-Oberbefehl stehen würden.

Dieses Versprechen an die Kurden werden die USA nicht halten können – und die Türken fragen sich, wie viele der ihnen gegebenen Versprechen wohl gebrochen werden. Auf die Glaubwürdigkeit der Amerikaner will Ankara es jedenfalls nicht ankommen lassen: Für jeden US-Soldaten im Nordirak würden dort zwei türkische Soldaten einmarschieren, kündigte die türkische Regierung an. Für die USA stellt sich die Frage der Nordfront nun neu, denn von ihren Zusagen an einen US-Truppendurchmarsch wollen die Türken bis zur Klärung der Befehlslage erst einmal nichts mehr wissen. Dass das Parlament schon am Dienstag entscheiden solle, so heißt es in Ankara jetzt, das sei auch ein Missverständnis gewesen.

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