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Politik: Rüge für Schäubles "Nicht-Niveau"

WASHINGTON .In scharfer Form hat Bundesaußenminister Joschka Fischer die Kritik Wolfgang Schäubles an seinem Kosovo-Kurs zurückgewiesen.

WASHINGTON .In scharfer Form hat Bundesaußenminister Joschka Fischer die Kritik Wolfgang Schäubles an seinem Kosovo-Kurs zurückgewiesen.Schäubles Äußerungen seien einer Kommentierung unwürdig, sagte Fischer am Dienstag abend in Washington dem Tagesspiegel.Der CDU-Vorsitzende hatte am Mittwoch in einem Tagesspiegel-Interview gesagt, Fischer betreibe eine "eitle" Balkan-Politik, in der es ihm vor allem um die Selbstdarstellung durch immer neuen Friedensaktionismus gehe."Das zeigt nur, wie wenig die Union zu kritisieren hat, wenn Schäuble sich auf dieses Nicht-Niveau begibt", sagte Fischer dem Tagesspiegel."Jetzt wirft uns die Union vor, zu Nato-hörig zu sein, doch wenn wir mit dem kleinen Zeh an der falschen Stelle wackeln, heißt es sofort, wir seien eine tödliche Gefahr für das Bündnis", sagte Fischer.

Fischer bekräftigte nach Gesprächen mit seiner amerikanischen Amtskollegin Madeleine Albright das Festhalten der Nato an der Doppelstrategie aus Luftschlägen und Diplomatie.Er räumte aber zugleich ein, daß nach zwei Monaten Luftkrieg nur ein Drittel der jugoslawischen Kriegsmaschinerie vernichtet sei, da die Serben Meister im Verstecken ihrer Rüstungsgüter seien.

Der Außenminister verlangte, die Bemühungen um eine Verhandlungslösung zu bündeln.Bei den von Albright auch am Dienstag wiederholten fünf Punkten, die die Nato seit langem als Vorbedingung für eine diplomatische Lösung betrachtet, nahm Fischer indes Korrekturen vor.Als überragendes Kriegsziel sieht Fischer die Rückkehr der Flüchtlinge.Zwei der anderen Nato-Kriegsziele, den Abzug serbischer Einheiten aus dem Kosovo und die Stationierung einer Nato-geführten Friedenstruppe, definierte er als "unverzichtbare Bedingungen für die Flüchtlings-Rückkehr", nicht als gleichrangige Kriegsziele.Eine symbolische serbische Rest-Präsenz im Kosovo "wird ernsthaft erwogen", so Fischer, wenn sie "in ausgewogenem Verhältnis zu einer robusten Friedenstruppe" steht.Sein Abrücken von den Formulierungen des Friedensvertrages von Rambouillet begründete Fischer mit drei Veränderungen im Kosovo: der großflächigen Verminung, dem Problem der Beweissicherung für Kriegsverbrecherprozesse und der Frage, wie Vergeltungs- und Racheakte unterbunden werden können.

Fischer nutzte seinen zweitägigen Amerika-Aufenthalt, um auch in den US-Medien darauf hinzuweisen, daß eine deutsche Teilnahme an einer Bodentruppe nicht möglich sei."Wir können bei bestimmten Dingen einfach nicht dabeisein", sagte der Außenminister vor der Presse.Im US-Fernsehen nannte er hierfür innenpolitische und verfassungsrechtliche Gründe.Fischer war gleichzeitig bemüht, dem Eindruck entgegenzuwirken, den Äußerungen von Kanzler Schröder ausgelöst hatten.Schröder war so verstanden worden, daß er eine deutsche Beteiligung an Bodentruppen nicht nur kategorisch ausschließt, sondern gleichzeitig ankündigt, einen Nato-Konsens über Bodentruppen mittels Veto zu unterbinden.Fischer erklärte hierzu, es entstünde eine neue Situation, falls eine Resolution des UN-Sicherheitsrates ein Mandat an die Nato vergeben würde.Der Außenminister räumte zugleich ein, daß die Nato unter erheblichem Zeitdruck steht."Falls es im Juni keine diplomatische Lösung gibt, müssen wir uns eine ganz neue Strategie überlegen", sagte Fischer im US-Fernsehen.

Die Kernfrage aller Bemühungen um eine Verhandlungslösung formulierte Fischer als "was muß raus, was muß rein?" Fischer meinte: "Mit den Russen wären wir uns da ganz schnell einig." Sowohl die Elemente einer UN-Resolution als auch die Elemente zur militärischen und zivilen Implementierung seien vorhanden."Ein Verhandlungsnachmittag in New York würde reichen." Das Problem sei, daß Moskau es noch zulasse, daß "Belgrad das russische Votum im Sicherheitsrat quasi als Geisel" nehme.Den Beschuß der chinesischen Botschaft in Belgrad wertete Fischer als Desaster."Ohne diese verdammte Sache wäre Milosevic unter ganz anderen Druck geraten." Nach einer historischen Wertung der Balkan-Kriege gefragt räumte Fischer ein: "Unsere Generation war am wenigsten darauf vorbereitet, daß der aggressive Nationalismus der 30er Jahre unter dem Gletscher des Kalten Krieges in einem Teil Europas überlebt hat."

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