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Politik: Rufe nach Rücktritt von Oettinger

Wegen Trauerrede auf Filbinger / Südwest-CDU ist entrüstet über Merkels Tadel

Berlin - Im Fall Filbinger kehrt keine Ruhe ein. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) wird wegen seiner Trauerrede auf den früherer Stuttgarter Regierungschef unter anderem vom Zentralrat der Juden in Deutschland und der SPD-Landesvorsitzenden Ute Vogt zum Rücktritt aufgefordert. „Er hat die ganze Angelegenheit sogar noch verschlimmert“, sagte der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan Kramer, dem Tagesspiegel. „Es bleibt nur eine mögliche Konsequenz: Er muss von seinem Amt zurücktreten.“ Daneben droht ein Zerwürfnis zwischen der starken baden-württembergischen Landespartei und Bundeskanzlerin Angela Merkel, die auch die Bundes-CDU führt. Grund ist, dass Merkel Oettinger wegen dessen verständnisvollen Sätzen über Filbinger, der in der NS-Zeit als Marinerichter Todesurteile fällte, getadelt hatte.

Seither mehren sich die kritischen Stimmen in der Führung der CDU aus dem Südwesten. Sie reichen, ohne dass diejenigen alle zitiert werden wollen, vom Landesvorstand bis hin zur Landesgruppe im Bundestag. Die stellt auch den Fraktionsvorsitzenden, Volker Kauder. In der Landesgruppe heißt es, die 33 Abgeordneten würden sich diesen Affront so nicht bieten lassen. Bisher hätten sie alles unterstützt, was Merkel vorhatte, jetzt nicht mehr. Zu oft sei es auch gegen ihre Auffassung von konservativer Politik gegangen. Die „Stuttgarter Zeitung“ zitiert Landesgruppenchef Georg Brunnhuber: „Wir bedauern, dass die Bundeskanzlerin sich so eingelassen hat. Es wäre besser gewesen, sie hätte es unter vier Augen belassen.“ Merkel hingegen ist nach Tagesspiegel-Informationen der Auffassung, dass ihre Reaktion in dieser Weise zwingend geboten war. Andernfalls hätte die Diskussion sehr schnell die Union als Ganzes ergriffen und ihr Schaden zufügen können, national und international.

In Gesprächen mit CDU-Vertretern Baden-Württembergs wird allerdings auf eher gemäßigte Reaktionen des SPD-Vordenkers und früheren Landesvorsitzenden Erhard Eppler sowie des bei der Trauerrede anwesenden Grünen-Fraktionschefs im Landtag, Winfried Kretschmann, verwiesen. Nicht jedes Wort müsse man unterschreiben, das Oettinger gesagt habe, so heißt es auch in der CDU, aber der Angriff auf ihn in dieser Weise sei stillos. Er spreche gegen die Bundesvorsitzende, zumal Oettinger als Landesvorsitzender ihre Politik in zurückliegender Zeit immer unterstützt habe, auch gegen Vorhaltungen in der eigenen Partei. Merkel habe nur sich selbst im Auge. Unter ihrem Vorgänger Helmut Kohl wäre das nie passiert, wird ihr entgegengehalten.

Hinzu kommt, dass die Südwest-CDU Informationen zu haben glaubt, wonach vor der Intervention Verlegerin Friede Springer mit der Bundeskanzlerin gesprochen habe. Springer zählt zu einer Riege von Frauen, deren Wort bei Merkel gehört wird. Dazu hieß es aus ihrem Umfeld, die Behauptung sei Unsinn, es habe in dieser Sache keinen Kontakt gegeben.

Oettinger selbst will sich für seine Rede nach wie vor nicht entschuldigen. Er bitte doch um Verständnis: Es sei eine Trauerveranstaltung für einen wichtigen Landsmann mit großen Verdiensten gewesen, da habe eine Rede vor seinen Kindern, Enkeln und Weggefährten eine „besondere Funktion“. Wenn der Eindruck entstanden sein sollte, er habe beschönigen wollen, dann „wäre das höchst bedauerlich“.

In einem Gespräch mit dem SWR bekräftigte Oettinger: „Ich glaube, dass Filbinger ein Gegner der Diktatur gewesen war.“ Er habe dem Regime kritisch gegenübergestanden, sei aber nicht stark genug für den Widerstand gewesen. „Wer Golo Mann liest, oder Gillessen, oder das Zitat von Hans Maier kennt, ein liberaler, christsozialer Wissenschaftler und Politiker im bayerischen Landtag, der wird zugestehen, dass meine Äußerungen sehr vertretbar sind.“ In Berlin wollen außerdem Katholiken am Dienstag Filbingers ehrenvoll gedenken, weil er einen Priester vor der Hinrichtung bewahrt habe.

Zu Merkels Kritik sagte Ministerpräsident Oettinger, die „akzeptiere ich“. Gefragt, ob er einer Begegnung mit der Kanzlerin ausweiche, antwortete Oettinger: „Blödsinn.“ Er treffe sie am Dienstag in Stuttgart bei einer EU-Konferenz zu Handwerk und Kleinunternehmen, „also unser Verhältnis ist voll intakt“.

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