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Im Februar gab es in Bukarest Proteste gegen den Plan der Regierung, Korruption im Staatsdienst teilweise straffrei zu machen.

© Vadim Ghirda/dpa

Rumänien: Kritik an Vergabe von EU-Förderung an Geheimdienst

Der rumänischen Regierung wird vorgeworfen, bei der Vergabe eines EU-Projektes an den nationalen Geheimdienst parteiisch gewesen zu sein. EurActiv Brüssel berichtet.

Mehrere rumänische Nichtregierungsorganisationen (NGOs) haben Beschwerde beim Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) eingereicht. Sie behaupten, dass der rumänische Inlandsgeheimdienst (SRI) 26 Millionen Euro an EU-Fördergeldern veruntreut habe. Auch der Prozess der Mittelvergabe sei nicht fair abgelaufen, lautet der Vorwurf.

Im Juni vergangenen Jahres hatten das rumänische Ministerium für Information und das Ministerium für europäische Fördermittel so genannte E-Governance-Projekte ausgeschrieben, für die es Gelder aus dem operationellen EU-Programm „Wettbewerbsfähigkeit“ des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) von 2014 bis 2020 geben sollte. Der rumänische Inlandsgeheimdienst SRI reichte ein Projekt ein mit dem Namen „SII ANALYTICS – Computersystem zur betrieblichen und analytischen Nutzung und Integration großer Datenmengen“. Es war das einzige Projekt, das zur Auswahl stand.

In ihrer Beschwerde an OLAF kritisieren die NGOs, allein die Tatsache, dass es sich hierbei um das einzige Angebot gehandelt habe, sei schon bedenklich. Außerdem sei der Antrag auf Förderung bereits sieben Stunden nach Veröffentlichung der Ausschreibung vorgelegt worden. Das schiere Ausmaß des Projekts hätte jedoch komplexe Budgetkalkulationen und Machbarkeitsstudien erfordert, so die Organisationen. Folglich müsse der Geheimdienst SRI nach den Angaben der NGOs bereits über den gesamten Inhalt der Ausschreibung Bescheid gewusst haben. Dies verstoße gegen nationale Vorschriften.

Im vergangenen Januar hatten die NGOs das Ministerium für europäische Fördermittel gebeten, die Sache genauer unter die Lupe zu nehmen. Einen Monat später erhielten sie die Rückmeldung, dass es länger dauern würde, den Fall zu untersuchen. Eine ausführliche Antwort steht noch immer aus.

Abgesehen von der fragwürdigen Auftragsvergabe bemängeln die NGOs auch, dass das SRI-Vorhaben gegen die Grundrechte der rumänischen Bürger und die EU-Richtlinie zum Schutz personenbezogener Daten von 1995 verstoße. Laut dieser Richtlinie müssen Personen der Nutzung ihrer Daten unmissverständlich zustimmen. Ausnahmen sind nur in Fällen erlaubt, in denen die Daten statistisch oder zur Wahrung der inneren Sicherheit verwendet werden. Da sich das SRI-Projekt jedoch mit E-Governance beschäftigt, sind solche Sonderregeln hier nicht gültig.

Im vergangenen September wandte sich der Technologie- und Internetverband ApTI mit der Bitte an das Ministerium für Information, den Inhalt des SRI-Projekts genauer zu beschreiben. Dies sei nicht möglich, hieß es später, da der Großteil der Daten im Zusammenhang mit dem Projektinhalt streng vertraulich sei.

NGOs kritisieren Verstoß gegen Datenschutz

Das geplante System soll unterschiedliche Datenquellen der nationalen Steuer-, Gesundheits- und innenpolitischen Behörden zusammenführen und mindestens 35 Milliarden Einträge umfassen. Diese sollen laut Ausschreibung „für alle Zeiten gespeichert“ werden. Hier liegt den NGOs zufolge ein deutlicher Verstoß gegen Datenschutzvorschriften vor.

Auf Nachfrage von EurActiv bestätigte die EU-Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF, die Beschwerden der rumänischen NGOs erhalten zu haben. Die OLAF-Experten würden zunächst eine vorläufige Einschätzung vornehmen, um festzustellen, ob der Fall tatsächlich in den Zuständigkeitsbereich des Amtes für Betrugsbekämpfung falle und einen Eingriff erfordere. OLAF achte das Prinzip der Unschuldsvermutung. Man werde erst dann Ermittlungen einleiten, wenn die vorläufige Einschätzung dies verlange.

Ausschuss erklärte Auftragsvergabe für rechtmäßig

Im vergangenen Januar hatten die NGOs den parlamentarischen Geheimdienst-Kontrollausschuss Rumäniens dazu aufgefordert, den Fall zu untersuchen. In einer öffentlichen Rückmeldung zu Beginn dieses Monats erklärte der Ausschuss die Auftragsvergabe für rechtmäßig.

Erst jüngst hat die rumänische Regierung versucht, nationale Anti-Korruptionsgesetze zu lockern. Da jedoch Tausende Menschen in zahlreichen Städten des Landes auf die Straße gingen, zog Bukarest den Vorschlag zurück. Nach den Massenprotesten musste Justizminister Florin Iordache im Februar zurücktreten. Obwohl Rumänien bereits seit zehn Jahren zur EU gehört, unterliegt das Land immer noch einem Kooperations- und Kontrollverfahren der EU-Kommission.

Übersetzung: Jule Zenker

Erschienen bei EurActiv.

Der europapolitische Onlinemagazin EurActiv und der Tagesspiegel kooperieren miteinander.

Sam Morgan

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