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Politik: Runde ohne Ecken

In der ersten Sitzung des Koalitionsausschusses wurden die heiklen Fragen standhaft gemieden

Von Robert Birnbaum

Es ist die erste Sitzung der großen Koalitionsrunde von CDU, CSU und SPD im Kanzleramt – und schon sind Dissonanzen zu vermerken. Über die Suppe nämlich. Markus Söder hat der Gemüseeintopf mit Fleischeinlage behagt: „Da sind Vitamine dabei, aber das ist auch etwas Herzhaftes“, sinnbildert der CSU-Generalsekretär, als er am Donnerstag im Kanzleramt über das Treffen berichtet. Anders aber Hubertus Heil: „Ein bisschen zu herzhaft“ fand der SPD-General das Dargebotene. Heils Gastro-Kritik ist freilich der einzige Unterton in einer Runde, die ansonsten strikt das Motto befolgt: Tue nur Gutes und rede darüber.

Dabei hätte es einiges zu bereden gegeben; nicht direkt Streit, aber doch erste Unstimmigkeiten und Interessenunterschiede. Doch nichts davon im Kreis der Partei- und Fraktionschefs, diesmal ausgeweitet um die Partei-Generäle und die Fraktionsgeschäftsführer. Für Personalfragen erklärte sich das Gremium gleich grundsätzlich unzuständig. Ob die langjährige SPD-Schatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier zur Kreditanstalt für Wiederaufbau geht, ob der CDU-Mann Jürgen Stark vom Vizepräsidenten der Bundesbank ins Direktorium der Europäischen Zentralbank aufrückt – kein Thema. Das sei „Regierungshandeln“, verkündete Söder unter beifälligem Nicken der Kollegen Heil und Ronald Pofalla; die Koalitionsrunde aber sei, obwohl im Kanzleramt und unter Leitung der Kanzlerin Angela Merkel tagend, wesentlich eine Parteiangelegenheit.

Ganz ohne solch formale Begründung sind ein paar andere Fragen schlicht unter den Tisch gefallen, die den großkoalitionären Frieden beeinträchtigen könnten. CIA, Entführungen und die Rolle der alten Bundesregierung? Kein Thema. Streit über die Umzugspläne der Bahn? Kein Thema. Pofallas Ruf nach Kombilohn? Kein Thema. Überhaupt Pofallas leicht donnernde Interviewpremiere als neuer CDU-General in der „Bild“-Zeitung? Immerhin hat er dort die Finanzprobleme des Bundes „ausschließlich“ zur rot-grünen Erblast erklärt, was den SPD-Fraktionsvize Joachim Poß zu einer wütenden Entgegnung veranlasst hat des groben Inhalts, die Ära Kohl sei aber noch viel, viel erblastiger gewesen. „Darüber ist mit keiner Silbe geredet worden“, sagt Pofalla.

Selbst der Dauerkonflikt zwischen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und der Union spielt nur außerhalb der Runde. Während der CSU-Gesundheitspolitiker Wolfgang Zöller Schmidt zum wiederholten Mal vorwirft, einen Gesetzentwurf gegen die Koalitionsvereinbarung vorzulegen, ist in der Runde bloß allgemein darüber gesprochen worden, dass besonders enge Abstimmung zwischen Regierung und Fraktionen nötig sei, um ohne Zeitnot alle bis Jahresende geplanten Gesetze in die Wege zu leiten. Ein Appell, der als Mahnung an Schmidt gelesen werden kann – aber nicht so verstanden werden muss.

Was sie also gemacht haben in den zwei Stunden außer Suppe gegessen und sich gegenseitig einmal mehr bester gemeinsamer Absichten versichert? Einen Zeitplan für die Föderalismusreform vereinbart – bis Februar soll ein Gesetzentwurf stehen, bis spätestens Mai ein Verfahrensplan auch für die bisher offene Regelung von Finanzfragen. Und Franz Münteferings Vorschlag im Streit mit den Kommunen über die Unterkunftskosten für Langzeitarbeitslose gebilligt. Eben: Tue Gutes und rede nur darüber.

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