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Ruprecht Polenz im Interview: "Serbien und das Kosovo haben EU-Perspektive"

Ruprecht Polenz, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, über Westerwelles Balkanreise und die Erweiterung der Europäischen Union.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle besucht in diesen Tagen Kroatien, Serbien, Bosnien-Herzegowina und das Kosovo. Werden alle diese Länder eines Tages zur EU gehören?

Wenn es gut läuft – ja. Die Programme zur Heranführung der einzelnen Länder an die EU sind zwar unterschiedlich weit gediehen. Aber die EU hat im Stabilitätspakt für den Balkan bereits vor über zehn Jahren eine Zusage gegeben.

Wann rechnen Sie mit einem Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union – im Jahr 2012 oder 2013?

Ich bin immer skeptisch, wenn im Vorfeld Kalenderdaten genannt werden. Schließlich haben wir am Beispiel Kroatiens auch schon erlebt, dass Grenzstreitigkeiten mit Slowenien den Beitrittsprozess verzögert haben. Ich glaube auch nicht, dass es irgendjemandem hilft, wenn Beitrittsdaten genannt werden. Das Tempo wird im wesentlichen bestimmt durch die Beitrittskandidaten selbst – ihre Fähigkeit, Bereitschaft und politische Kraft, die notwendigen Reformen umzusetzen.

In Ländern wie Deutschland, den Niederlanden und Belgien gibt es Vorbehalte gegen eine rasche Erweiterung der EU. Teilen Sie die Auffassung, dass es nach den nächsten erwarteten EU-Beitritten Kroatiens und Islands erst einmal eine längere Pause geben soll?

Ich halte nichts von einer solchen abstrakten Diskussion. Es geht vielmehr konkret darum, zu welchem Zeitpunkt EU-Beitrittskandidaten Verhandlungen aufnehmen können.

Besonders schwierig dürften Verhandlungen über einen Beitritt Serbiens zur Europäischen Union werden. Belgrad erhebt im Norden des Kosovos einen Machtanspruch. Muss Serbien diesen Anspruch aufgeben, bevor das Land eine realistische Beitrittsperspektive hat?

Es gibt zwei wichtige Botschaften an die serbische Seite: Erstens wird am Ende ein Beitritt Serbiens ohne eine Lösung des Kosovokonflikts nicht möglich sein. Ein zweites Zypern …

… also die Aufnahme eines faktisch zwischen zwei Staaten aufgeteilten Gebiets in die Europäische Union …

… wird es nicht geben. Und zweitens wird sich mit einem Beginn von Beitrittsverhandlungen die Erwartung der Europäischen Union an Serbien noch verstärken, dass die Zusammenarbeit der EU mit dem Kosovo erleichtert wird. Jeder weiß, dass Serbien mit der Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovos noch eine schwierige Aufgabe zu bewältigen hat. Aber diese Aufgabe wird dadurch etwas geringer, dass sowohl Serbien als auch das Kosovo eine EU-Perspektive haben. Wenn beide Länder Mitglieder der EU sind, dann werden sich eine ganze Reihe von Fragen, die durch die nationale Brille derzeit noch viel größer erscheinen, nicht mehr in der gleichen Dimension stellen.

Ruprecht Polenz (CDU) ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages. Polenz gehört dem Bundestag seit 1994 an.

Das Gespräch führte Albrecht Meier.

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