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Sergei Lawrow und Taro Kono, die Außenminister Russlands und Japans, verhandeln über den Friedensvertrag.

© Alexander Zemlianichenko, dpa

Russisch-japanische Friedensverhandlungen: Abfuhr für Tokios Inselträume

Seit fast 75 Jahren streiten Russland und Japan unnachgiebig um die vier südlichen Kurilen-Inseln. Eine Lösung des Konflikts scheint auch diesmal unmöglich.

Russland und Japan haben am Montag in Moskau Friedensverhandlungen begonnen. Die Außenminister beider Länder, Sergej Lawrow und Taro Kono, sitzen dafür vier Tage lang zusammen. Fast 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ist – anders als im Falle der beiden Koreas – weithin aus dem Blick geraten, dass sich Russland und Japan formell noch immer im Krieg gegeneinander befinden. So absurd es klingt, die Chancen für eine Vereinbarung stehen schlecht. Im Weg stehen vier kleine Inseln, die von kaum mehr als 10000 Menschen bewohnt werden: die südlichen Kurilen – nördlich von Hokkaido und östlich von Sachalin gelegen.

Japan betrachtet die Inseln als seine „nördlichen Territorien“ und beruft sich auf einen Vertrag von 1875 mit dem Zaren. Russland hat die Eilande im Zweiten Weltkrieg besetzt. Am 7. August 1945 hatte Stalin dem japanischen Kaiserreich den Krieg erklärt und schon am nächsten Tag begann die Landung sowjetischer Soldaten auf den Kurilen. Das zeigt, welch hoher strategischer Wert den Inseln schon damals beigemessen wurde. Als Japan 1956 in San Francisco Frieden mit den USA und 46 weiteren Staaten schloss, war die Sowjetunion nicht dabei.

Aneinander vorbei geredet

Seither flammte der Streit beider Länder um die Kurilen immer wieder auf. Nach Jahren des Stillstands ist 2018 wieder Bewegung in die Kurilen-Frage gekommen. Im Mai hatte der japanische Premier Shinzo Abe beinahe routinemäßig angemahnt, beide Staaten sollten sich bemühen, eine Vereinbarung bis zum Ende des Jahres abzuschließen. Der russische Präsident Wladimir Putin reagierte mit der überraschenden Formulierung, man solle das Problem „mit einem frischen Blick“ betrachten.

Dieser Austausch positiver Signale wurde offenkundig in beiden Hauptstädten missverstanden. Moskau und Tokio gingen wechselseitig davon aus, dass der jeweils andere zum Nachgeben bereit sein könnte. Inzwischen sind die Fronten wieder verhärtet, was sich hinter nebeligen diplomatischen Formeln verbirgt, mit denen die beiden Seiten in die derzeitigen Friedensverhandlungen gingen. Das russische Außenministerium hatte klargestellt, als unabdingbare Voraussetzung für den Friedensvertrag müsse Japan die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges ausnahmslos anerkennen. Also bleibt alles, wie es ist.

So ist auch die Stimmung: Drei Viertel aller Russen ist gegen eine Rückgabe, heißt es in Umfragen. Putin könnte sich zwar darüber hinwegsetzen, er würde sich dann aber „Probleme aufhalsen wie bei der Rentenreform, nur schlimmer“, schrieb die immer mehr auf einen nationalistischen Kurs einschwenkende Netzzeitung „gazeta.ru“. Es wäre tatsächlich schwer zu erklären, dass Russland im Westen die Annexion der Krim als lange fällige Wiedervereinigung deklariert und im Osten strategisch wichtige Positionen aufgibt.

Gipfel Ende des Monats

Genau das aber verlangt Japan. In dem Vertrag solle stehen, dass beide Seiten auf Kompensationen für die Kriegsereignisse verzichten. Im Klartext bedeutet das: Aus Sicht Tokios hat sich Russland die Kurilen als „Kriegsbeute“ angeeignet und man erwarte eine Rückgabe. Ein Kompromiss schien bei Verhandlungsbeginn unmöglich. Die japanische Delegation ließ zum Missfallen des russischen Außenministeriums deshalb schon vorab verlauten, ein gemeinsames Statement werde es zum Abschluss des Kono-Besuches in Moskau nicht geben.

Japan wie Russland haben aber vitale Interessen an einem Abkommen. In den Bemühungen um eine Entspannung der Beziehungen geht es letztlich sogar um noch mehr als um den Zugriff auf die biologischen Ressourcen und die Bodenschätze der Region. Vor allem die wachsende Stärke Chinas zwingt beide Staaten förmlich zu Entspannung und in eine Allianz, um ein Gegengewicht zu schaffen. Es käme dennoch einem politischen Wunder gleich, wenn Putin und Abe beim Besuch des japanischen Premiers in Moskau Ende des Monats den Krieg formell beenden.

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