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Russland: Am Gängelband

Russland möchte die Parlamentswahl in Georgien beeinflussen – das führt zu neuen Spannungen zwischen Moskau und Tiflis.

Georgiens Parlamentschefin Nino Burdschanadse brauchte ganze drei Sätze für die Antwort auf die Offerte des scheidenden russischen Präsidenten Wladimir Putin. Dieser hatte am Freitag das russische Außenamt beauftragt, mit Georgien Konsultationen zur Normalisierung der Beziehungen aufzunehmen. Dabei soll es vor allem um die Abschaffung der 2001 eingeführten Visumpflicht und um die Aufhebung des Wirtschaftsembargos gehen, das Russland 2006 gegen die Republik im Südkaukasus verhängt hatte. Beides bedeutet für Georgien Verluste in Milliardenhöhe. Moskau war bis zur Verhängung des Embargos wichtigster Abnehmer für georgische Weine und Mineralwässer. Außerdem verdingte sich bis zur Einführung der Visumpflicht eine halbe Million Georgier in Russland als Gastarbeiter.

Georgiens „Eiserne Lady“ schmetterte Putins Offerte dennoch kühl ab: Wer normale Beziehungen mit Tiflis wünscht, so wurde Burdschanadse von der halbamtlichen Nachrichtenagentur RIA Nowosti zitiert, müsse begreifen, dass Georgien unteilbar und die Anerkennung seiner territorialen Integrität Voraussetzung für Freundschaft ist. Andernfalls müsse Putins Erklärung als Versuch gewertet werden, die Weltöffentlichkeit zu täuschen. Russlands Präsident hatte nämlich zuvor von der russischen Regierung konkrete Maßnahmen zur Vertiefung der Zusammenarbeit mit den abtrünnigen georgischen Regionen Südossetien und Abchasien verlangt. Beide Gebiete hatten sich im Jahr 1993 für unabhängig erklärt, sind völkerrechtlich jedoch nach wie vor Bestandteil Georgiens. Moskau unterstützte die Separatisten bisher nur inoffiziell. Russland plant jetzt jedoch, beide Regionen faktisch der eigenen Rechtsprechung zu unterstellen.

Zwar hatten Putin und Russlands Außenminister Sergej Lawrow schon beim Nato-Gipfel zu Beginn des Monats in Bukarest gedroht, Moskau würde auf einen Beitritt zur Militärallianz, wie Georgien ihn anstrebt, adäquat reagieren. Dass den Worten bereits jetzt Taten folgen, obwohl die Allianz die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine wie mit Georgien vertagte, hat vor allem damit zu tun, dass der Kreml den Ausgang der für Ende Mai angesetzten vorgezogenen Parlamentswahlen in Georgien beeinflussen will. Russlands Führung erhofft sich einen Machtwechsel in Tiflis in überschaubaren Zeiträumen.

Die Erfolgschancen stehen dafür besser denn je. Schließlich lebt gut die Hälfte der Georgier vier Jahre nach der „Rosenrevolution“ noch immer unterhalb der Armutsgrenze oder knapp darüber. Soziale Themen dürften daher auch den jetzt beginnenden Wahlkampf beherrschen – damit dürfte auch die Forderung nach einer Normalisierung der Beziehungen zu Russland an politischem Gewicht gewinnen. Auch Georgiens Opposition hat gute Gründe, trotz ihrer antirussischen Grundstimmung auf den von Putin angebotenen Deal einzugehen – denn damit steigen ihre Chancen erheblich. Georgiens Staatschef Michail Saakaschwili droht inzwischen auch der Verlust der absoluten Mehrheit im Parlament, nachdem er durch die Unruhen im November und das schlechte Abschneiden bei den vorgezogenen Präsidentenwahlen im Januar bereits nachhaltig geschwächt ist. Ein weiterer Rückschlag bei den Parlamentswahlen ließe sich für ihn nur vermeiden, wenn er selbst mit Moskau verhandelt und damit der Opposition den Trumpf aus der Hand schlägt.

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