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Politik: Russland droht mit OSZE-Austritt

Die Organisation kümmert sich nach Ansicht von Außenminister Lawrow zu viel um die Menschenrechte

Russland ist unzufrieden mit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). So unzufrieden, dass die Drohung im Raum steht, dass Russland die Organisation verlassen könnte. Die OSZE habe zwei Möglichkeiten, warnte Russlands Außenminister Sergej Lawrow die Chefdiplomaten anderer Mitgliedstaaten auf der Tagung der Organisation in Brüssel: Entweder die OSZE nehme eine „Kurskorrektur“ vor, oder sie gründe sich als „humanitärer Club“ neu.

Lawrow kritisierte in Brüssel die „menschliche Dimension“, damit meinte er die Menschenrechte. Entweder die OSZE kümmere sich weniger um die Menschenrechte und mehr um den Kampf gegen den Terrorismus und den Drogenschmuggel. Oder sie beschränke sich eben auf die humanitären Themen. Dann aber würden einige Mitglieder über einen weiteren Verbleib in der OSZE nachdenken. „Menschliche Dimension“ und „humanitärer Club“, berichteten russische Journalisten, die dabei waren, hätten aus dem Munde Lawrows geklungen, als sei „von etwas Anstößigem die Rede“.

Unterschiedliche Auffassungen über demokratische Mindeststandards sind denn auch schon seit längerem der Hauptstreitpunkt zwischen Moskau und den westlichen OSZE-Mitgliedern. Dazu kommen handfeste Differenzen zum Abkommen über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE), das 1999 den neuen Realitäten nach dem Ende der Blockkonfrontation angepasst, bisher jedoch von einer Reihe von Staaten nicht ratifiziert wurde. Der Grund: Moskaus Weigerung, seine militärische Präsenz im abtrünnigen Transnistrien zu beenden, wie dies Moldawien verlangt und die schleppende Räumung der letzten russischen Basen in Georgien. Auch die OSZE-Tagung am Wochenanfang forderte erneut den vollständigen Rückzug russischer Truppen.

Moskau dagegen stößt sauer auf, dass der Westen mit von der OSZE finanzierten Programmen auf dem Gebiet der ehemaligen UdSSR angeblich nur den Einfluss Russlands auf dessen Ex-Vasallen zurückdrängen will.

Ein dritter Streitpunkt ist der von Kasachstan für 2009 angestrebte OSZE-Vorsitz. Moskau sieht sich offenbar gleich mit an den Schandpfahl gezerrt, wenn Washington dem Land Demokratiedefizite vorhält und die Ambitionen der Kasachen für verfrüht erklärt. Die Entscheidung wurde schließlich vertagt.

Russland, warnte andererseits Alexej Arbatow, der Leiter des Zentrums für internationale Sicherheit bei der Russischen Akademie der Wissenschaften und einer der prominentesten Politologen, sei gut beraten, in Sachen OSZE keine Brücken hinter sich abzubrechen. Anders als in der Nato oder der Europäischen Union, wo Moskau lediglich auf eine privilegierte Partnerschaft pochen kann, sei Russland in der OSZE gleichberechtigtes Mitglied. Die sich daraus ergebenden Chancen habe Moskau bisher jedoch nicht genutzt. Mehr noch: Durch viele Entscheidungen, sagte Arbatow in einem Interview für den russischen Dienst von Radio Liberty, habe der Kreml die Mehrheit der OSZE- Mitglieder gegen sich aufgebracht. Auch weil Moskau zu verstehen gibt, dass es sich dabei „nicht um Kinderkrankheiten einer Übergangsgesellschaft handelt, sondern um die bewusste Entscheidung für einen russischen Sonderweg“.

Die OSZE wurde 1994 als Nachfolgeorganisation der KSZE gegründet. Ihr gehören insgesamt 56 Staaten an. Die KSZE war 1975 als Forum für die Zusammenarbeit zwischen dem Westen und dem Osten während des Kalten Krieges gegründet worden.

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