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Russland: Immer wieder Putin

Russlands Regierungspartei wird jetzt vom scheidenden Präsidenten geführt - der sichert sich seine Macht gegen den Nachfolger.

Der neue Chef der Kremlpartei „Einiges Russland“ hatte Mühe, sich Gehör zu verschaffen. Immer wieder unterbrachen die knapp 600 Parteitags-Delegierten Wladimir Putins Dankesrede mit donnerndem Applaus. Einstimmig hatten sie den Kremlherrscher, der ihnen schon als Spitzenkandidat bei den Parlamentswahlen im Dezember 315 der 450 Sitze in der Duma und damit erneut die Zweidrittelmehrheit einbrachte, zuvor zu ihrem Parteivorsitzenden gewählt. Ein Amt, das erst am Vortag speziell für ihn geschaffen und noch am gleichen Tag vom Justizministerium abgesegnet wurde. Denn bisher lag die Parteiführung in den Händen eines Obersten Rates, dem Dumapräsident Boris Gryslow vorstand.

Die neuen Statuten degradieren ihn zum Geschäftsführer und legen die politische Schlüsselgewalt in die Hände des Vorsitzenden: Putin, der dazu nicht einmal Mitglied werden muss. Einschlägige Avancen führender Mitglieder der Partei „Einiges Russland“ hatte er stets abgeschmettert. Offizielle Begründung: Die Mehrheit der Russen sei parteilos, ihr Präsident daher zu politischer Neutralität verpflichtet.

Beobachter indes vermuten, Putin fürchte im Falle einer Mitgliedschaft den Liebesentzug der Massen, die „Einiges Russland“ vor allem als Fressnapf für Beamte wahrnehmen. Selbst als deren Spitzenkandidat und in der heißen Phase des Wahlkampfs war er daher zur Regierungspartei auf deutliche Distanz gegangen. „Einiges Russland“ müsse sich von Karrieristen trennen, die sich dort bequem eingerichtet hätten, verlangte er. Diese Kritik brachte Putin am Dienstag erneut vor: Die Partei müsse sich reorganisieren und auch ideologisch neu aufstellen.

Dazu hatte der Parteitag zuvor drei Plattformen eingerichtet. Aus ihnen sollen sich Prototypen liberaler, Links- und Zentrumsparteien entwickeln, die einen Pluralismus vorgaukeln sollen. Putin, der den Parteivorsitz gleich nach der Vereidigung von Dmitri Medwedew als Präsident am 7. Mai übernehmen will, soll die Tätigkeit der Plattformen koordinieren. Das Langzeit-Ziel ist nach der Einschätzung von Beobachtern eine kontrollierte Pseudo-Opposition, die dafür sorgt, dass Putin die reale Macht behält. Zunächst, so Lilija Schewzowa von der Moskauer Carnegiestiftung, werde Putin „Einiges Russland“ zur Speerspitze bei der Verteidigung gegen Medwedew umschmieden. In der Tat: Über Erfolg und Misserfolg von Palastintrigen entscheidet in Russland der Staatsapparat – also Beamte, wie sie bei „Einiges Russland“ tonangebend sind. Sie stehen im Zweifelsfall zu ihrem Chef.

„Einiges Russland“, analysiert auch Stanislaw Belkowski vom Institut für Nationale Strategien, hätte Putin noch vor der Wachablösung im Kreml auf den Schild gehoben, um einer möglichen Intervention Medwedews zuvorzukommen. Derartige Ängste sind keineswegs aus der Luft gegriffen. Medwedew ging die Partei „Einiges Russland“ mehrfach frontal an: Russlands junge Business-Eliten, Medwedew inklusive, haben zwar an der repressiven Innenpolitik wenig auszusetzen. Umso mehr stören sie sich jedoch an den grobschlächtigen Methoden ihrer Umsetzung, wie sie bei der alten Garde um Putin und Gryslow üblich sind.

Der ehemalige Innenminister Gryslow hatte Medwedew daher zunächst nicht einmal auf die Gästeliste gesetzt, musste sich dann aber korrigieren, weil Putin ausdrücklich auf eine „Sozialisierung“ seines Nachfolgers in der Regierungspartei gedrängt haben soll. Ausgerechnet Medwedew musste nach dem Drehbuch der Kreml-Polittechnologen auf dem Parteitag Putins Wahl zum Vorsitzenden begründen – für Insider das erste verlorene Gefecht des neuen Zaren.

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