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Michail Chodorkowski

© dpa

Russland: Neue Anklage gegen Chodorkowski

Dem früheren Ölmagnaten Michail Chodorkowski droht eine neue Anklage - er soll mehrere Millionen Tonnen Öl unterschlagen haben. Eine vorzeitige Haftentlassung rückt damit in weite Ferne. Sein Anwalt kritisiert die Anschuldigungen als "absurd".

Die russische Justiz hat ein neues Verfahren gegen den seit über vier Jahren inhaftierten früheren Ölmagnaten und Regierungskritiker Michail Chodorkowski eingeleitet. Der einst reichste Oligarch Russlands wird beschuldigt, gemeinsam mit seinem ebenfalls verurteilten Geschäftspartner Platon Lebedew fast 350 Millionen Tonnen Öl gestohlen zu haben, teilte die russische Staatsanwaltschaft nach Angaben der Agentur Interfax mit.

Im Mittelpunkt der Anklage stehen umstrittene Ölgeschäfte, die in der Vergangenheit über Steueroasen und Tochterfirmen abgewickelt worden waren. Bereits im Februar 2007 waren Chodorkowski und Lebedew beschuldigt worden, Öl für eine Summe von bis zu 19 Milliarden Euro schwarzverkauft zu haben. Beide sitzen seit 2005 jeweils achtjährige Haftstrafen wegen Steuerhinterziehung und Betrugs ab.

Anwalt: Keine neuen Fakten auf 145 Seiten

Die Klageschrift beinhalte "die gleiche Sammlung absurder und unbewiesener Behauptungen über den angeblichen Diebstahl des gesamten Öls, das Yukos innerhalb von sechs Jahren gefördert hat", sagte sein Anwalt Juri Schmidt. Mit der neuen Anklage wolle die Staatsanwaltschaft Chodorkowskis Haft in die Länge ziehen, um "neue Anweisungen zu erhalten und die Bestätigung der Unterstützung der Machthabenden", kritisierte er.

Auch nach stundenlanger Lektüre der 145 Seiten langen Anklageschrift habe er keine neuen Fakten darin gefunden, erklärte der Anwalt. Dass Chodorkowski ausgerechnet an seinem 45. Geburtstag am vergangenen Donnerstag über eine drohende neue Anklage informiert worden sei, offenbart laut Schmidt den "kleinlichen und nachtragenden Charakter derjenigen, die hinter diesem kriminellen Entschluss stehen". Wenn die Angelegenheit jedoch vor ein Gericht komme, "das nur die kleinsten Anzeichen für Unabhängigkeit zeigt", werde "die erfundene Anklage in sich zusammenbrechen".

Ein früherer Mithäftling von Chodorkowski räumte unterdessen ein, im Oktober mit einer Falschaussage dessen vorzeitige Haftentlassung verhindert zu haben. Igor Gnesdilow berichtete in der am Montag erschienenen Wochenzeitung "Wlast", er habe im Oktober schriftlich bezeugt, dass Chodorkowski bei einem gemeinsamen Hofgang mit ihm nicht wie vorgeschrieben die Hände auf dem Rücken verschränkt habe. "Ehrlich gesagt kann ich mich überhaupt nicht daran erinnern, wo wir an diesem Tag unsere Hände hatten - aber ich weiß genau, dass es deswegen keinerlei Beschwerde gab", versicherte Gnesdilow, der von Februar 2007 bis Januar 2008 die Zelle mit Chodorkowski im sibirischen Tschita teilte.

Mithäftling gesteht Falschaussage

Mit der Falschaussage habe er seine frühzeitige Haftentlassung sichern wollen, berichtete Gnesdilow, der wegen wiederholten Autodiebstahls eingesessen hatte. Nach seinen Angaben wollte er unbedingt freikommen, um seiner mit einer Mitinsassin gezeugten Tochter das Waisenhaus zu ersparen. Tatsächlich kam er drei Monate nach seiner Falschaussage frei, Chodorkowski dagegen wurde im Dezember eine vorzeitige Haftentlassung wegen guter Führung verweigert. Laut Gnesdilow hatte Chodorkowski immer wieder unter kleinlichen Schikanen der Gefängnisverwaltung zu leiden, während Mithäftlinge und Wachen ihn mit Respekt behandelten.

Chodorkowski war im Jahr 2003 wegen Steuerhinterziehung zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Sein Yukos-Konzern wurde nach einem Streit um Steuerzahlungen 2005 faktisch zerschlagen und 2006 einem Konkursverwalter unterstellt. Beobachter vermuten hinter Chodorkowskis Verurteilung politische Beweggründe. Die Prozesse gegen die Ölunternehmer und die Zerschlagung des Yukos-Konzerns gelten als vom Kreml gesteuert, zumal der Hauptförderbetrieb Juganskneftegas dem Staatskonzern Rosneft zufiel. Seine Anwälte wollten Chodorkowski dazu bewegen, unter dem neuen russischen Präsidenten Dmitri Medwedew erneut einen Antrag auf vorzeitige Haftentlassung zu stellen. (nim/AFP/dpa)

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