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Wie umgehen mit Autokraten, die sich verehren lassen wie Cäsar?

© dpa

Russland: Nicht die Geduld verlieren!

Deutschland will die Sanktionen gegen Russland lockern. Das wäre der falsche Anreiz. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Claudia von Salzen

Es ist die Gretchenfrage der deutschen Außenpolitik: Wie halten wir es mit Russland? Zwei Minister der Bundesregierung haben darauf eine Antwort gegeben – Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier plädieren für einen schrittweisen Abbau der Russland-Sanktionen. Zwar betonen sie, dass es dafür zunächst Fortschritte im Ukraine-Konflikt geben müsse. Aber dennoch lässt sich dieser Vorschlag als Zugeständnis an Moskau lesen. Denn bisher hat die Bundesregierung die vollständige Umsetzung des Minsker Abkommens als Bedingung für eine Aufhebung der Sanktionen genannt.

Keiner glaubt mehr an den Minsker Friedensplan

Derzeit glaubt niemand daran, dass der in Minsk beschlossene Friedensplan für die Ostukraine in absehbarer Zeit umgesetzt wird. Nicht ein einziger Punkt des Abkommens wird bisher eingehalten. Von Ärger und Enttäuschung spricht Steinmeier, der den Konfliktparteien „Verzögerung und Obstruktion“ vorwirft. Immer wieder mahnt er beide Seiten, endlich mehr zu tun im Friedensprozess. Der deutsche Außenminister will in diesem Konflikt neutraler Vermittler sein, der für keine Seite Partei ergreift. Ist das nicht auch die Grundvoraussetzung für eine gelingende Konfliktlösung?

Weder die Ukraine noch Russland haben die Verpflichtungen erfüllt

Es stimmt: Weder die Ukraine noch Russland haben ihre Verpflichtungen erfüllt. Doch indem die deutsche Außenpolitik in diesem Krieg Angreifer und Angegriffene genau gleich zu behandeln versucht, gewährt sie indirekt Russland einen Vorteil. Zwar nennt auch Steinmeier die Annexion der Krim einen Völkerrechtsbruch und kritisiert die „Destabilisierung“ der Ostukraine. Dieser Begriff ist allerdings ein Euphemismus angesichts der Tatsache, dass russische Soldaten im Donbass kämpften und offensichtlich bis heute nicht abgezogen wurden. Wenn aber die Präsenz russischer Soldaten nicht einmal beim Namen genannt wird, spielt die deutsche Außenpolitik das Spiel der russischen Desinformation stillschweigend mit.

Steinmeier kommt Russland mehr entgegen als der Ukraine

Steinmeier will mit einem in Aussicht gestellten schrittweisen Abbau der Sanktionen Anreize für positive Veränderungen schaffen. Unklar ist nicht nur, was bereits als „substanzieller Fortschritt“ gelten soll, sondern auch, welcher Teil der Strafmaßnahmen zuerst abgebaut werden könnte. Würden die Wirtschaftssanktionen zuerst aufgehoben, fiele der wirksamste Teil der Strafmaßnahmen weg – und ein Einlenken Russlands würde in weite Ferne rücken. Denn die Einreiseverbote und Kontensperrungen sind, soweit sie nicht den engsten Kreml-Zirkel betreffen, ohnehin eher symbolischer Natur.
Zur Begründung dafür, wie dringend Russland auf internationaler Bühne gebraucht werde, wird gerne das Atomabkommen mit dem Iran genannt. Doch dieses Beispiel taugt nicht, um zu begründen, warum es bald ein Ende haben müsse mit den Strafmaßnahmen. Denn zu dieser Einigung kam es inmitten der größten Krise im Verhältnis zwischen Russland und dem Westen seit dem Kalten Krieg – trotz der Sanktionen. Wer die Zusammenarbeit mit Russland beim Iran-Abkommen für beispielhaft hält, sollte zudem nicht vergessen, dass der Vertrag ohne jahrelange strategische Geduld bei den Sanktionen gegen Teheran gar nicht unterzeichnet worden wäre.

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