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Foto: Can Merey/dpa

© picture alliance / dpa

Russland: Soldaten verweigern Einsatz in Syrien

Russische Soldaten sollten per Geheimbefehl nach Syrien versetzt werden. Sie klagten dagegen. Nun wird nach Angaben ihres Anwalts gegen sie wegen Landesverrats ermittelt.

Freiwillige vor: Gebraucht würden 20 Vertragssoldaten für Laden und Löschen von Technik im russischen Schwarzmeerhafen Noworossijsk. Dort aber hätten Vorgesetzte ihnen eröffnet, dass möglicherweise ein Einsatz „in einem heißen Land“ bevorstehe, wo es zu „Kampfhandlungen“ kommen könne. Danach sei ein Vertreter des Generalstabs mit einem Geheimbefehl zur Entsendung der Gruppe nach Syrien erschienen. Einwände habe dieser nicht gelten lassen. Die Einschiffung sei für den 17. September geplant gewesen.

So jedenfalls steht es in einer Beschwerde, mit der die potenziellen Syrien-Kämpfer sich an den Beirat für Menschenrechte beim russischen Präsidenten und an das Komitee der Soldatenmütter wandten. Außerdem informierten sie die Medien.

Ein „Anlass für Hysterie“ liege nicht vor. Der Vorgang könnte eine Falschmeldung oder gar Teil einer Provokation sein, zitierte die regierungsnahe Moskauer Nachrichtenagentur Interfax am Freitagabend den Vorsitzenden des Beirates, Michail Fedotow. Die Vorwürfe, so schrieb er inzwischen an Verteidigungsminister Sergei Schoygu, seien jedoch schwerwiegend und müssten überprüft werden. Truppen-Entsendung ins Ausland sei nur durch Präsidentenerlass möglich, entsprechende Dekrete müssten nach geltendem Recht öffentlich gemacht werden.

Über einen möglichen Einsatz russischer Soldaten in Syrien hatte es in den vergangenen Tagen widersprüchliche Meldungen gegeben. Russland habe, so Vize-Generalstabschef Nikolai Bogdanowski, vorerst keine Pläne für den Bau eines Luftwaffenstützpunkts in Syrien. Genau das aber hatten die USA am Mittwoch behauptet. Auch Außenminister Sergei Lawrow hatte kürzlich erklärt, Russland plane derzeit keine Aufstockung seiner militärischen Präsenz. Die derzeit in Syrien stationierten Soldaten würden lediglich beim Umgang mit russischen Waffen helfen.

Doch am Donnerstag hatte Syriens Außenamtschef Walid al Muallim gedroht, Damaskus werde „im Notfall die russische Armee bitten, auf der Seite unserer Kräfte zu kämpfen.“ Ein offizielles Ersuchen, so der Pressesprecher von Präsident Wladimir Putin Pressesprecher am Freitag, würde natürlich „im Rahmen der bilateralen Kontakte erörtert und erwogen“ werden. Eine solche Bitte liege bisher jedoch nicht vor. Auch von Beschwerden der Vertragssoldaten gegen einen Syrien-Einsatz habe er keine Kenntnis.

Der Anwalt der Verweigerer indes sagte am Sonntag der Online-Zeitung "gaseta.ru", die als erste über den Vorgang berichtet hatte, der Inlandsgeheimdienst FSB ermittle bereits wegen Landesverrats. Darauf steht die Höchststrafe: lebenslänglich. Seine Mandanten dürften die Kaserne nicht verlassen, die Angehörigen seien zutiefst schockiert.

Grundlage für Auslandseinsätze russischer Soldaten, so auch die Chefin des Komitees der Soldatenmütter, sei ein schriftlicher Befehl mit sozialen Garantien. Einschließlich der  Kampfzulagen. Ein solches Papier gäbe es bisher aber nicht. Mehrere Soldaten und deren Familien hätten das Komitee um Hilfe gebeten.

Zwar haben sich die 14.000 Sowjetsoldaten, die aus Moskaus Afghanistan-Feldzug in Zinksärgen heimkehrten, tief in das kollektive Gedächtnis eingebrannt. Doch seit der Ukraine-Krise hat sich die öffentliche Meinung zu Auslandseinsätzen offenbar wieder gedreht. Sogar von den Hörern von Radio Echo Moskwy, die in der Regel kritische Distanz zum Kreml pflegen, antworteten Freitagabend auf die Frage, ob die Soldaten, die sich weigern, in Syrien zu kämpfen, ihren Fahneneid gebrochen hätten, immerhin 78 Prozent mit Ja.

Mit Engagement in Syrien wolle Russland sein Image aufbessern und von seiner Rolle in der Ukraine-Krise ablenken, hieß es in einem Kommentar des Senders. Anders als dort, wo es um die Interessen ethnischer Russen gehe, sei der Öffentlichkeit jedoch nur schwer zu vermitteln, wessen Interessen Moskau in Syrien verteidigt.  

Der IS sei derzeit keine direkte Bedrohung für Russland, schreibt auch die liberale Wirtschaftszeitung "Wedomosti". Nach Säuberungen im Nordkaukasus vor den Olympischen Spielen in Sotschi im Jahr 2014 .hätten die radikalen Islamisten ihre Aktivitäten weitestgehend eingestellt. Bedroht seien indes die instabilen Regime in den muslimisch geprägten Ex-Sowjetrepubliken Zentralasiens, die Islamisten schon mehrfach akut in Bedrängnis brachten. Allein schon wegen der durchlässigen Grenzen zu Afghanistan seien Streitkräfte und Rechtschutzorgane dort nicht in der Lage, Angriffe der transnational organisierten Terror-Netzwerke abzuwehren. Der IS kooperiere inzwischen mit Teilen der Taliban, mit beiden auch die zentralasiatische Islamisten-Szene.

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