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Stunde der Demokratie: die Auszählung in der Ukraine.

© Reuters

Russland und Ukraine: Das Kalkül des Wladimir Putin ist nicht aufgegangen

Die Ukraine hat sich in der Parlamentswahl für Europa entschieden - und gegen die Rechten. Großer Verlierer der Wahl ist Wladimir Putin, Russlands Präsident. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Claudia von Salzen

Die Ukraine hat sich endgültig für Europa entschieden. Ein Land im Ausnahmezustand wählt – und die Bürger treffen eine überraschend besonnene Wahl. Gewinner der Parlamentswahl in der Ukraine sind drei Parteien, die sich im Grundsatz zu europäischen Werten bekennen. Mitten in einer Krise, die zur Annexion eines Landesteils durch Russland und zu einem bewaffneten Konflikt in einem anderen Landesteil führte, haben die Ukrainer ihrem Präsidenten und ihrem Regierungschef das Vertrauen ausgesprochen. Nationalistische und rechtsradikale Kräfte, die sich im Krieg mit den von Russland gelenkten und unterstützten Separatisten profilieren wollten, spielten bei der Wahl dagegen praktisch keine Rolle.

Damit haben die ukrainischen Wähler all jene Lügen gestraft, die hinter der Bürgerbewegung auf dem Maidan in Kiew Rechtsradikale am Werk sahen. Seit Februar hat Russlands Führung den Rest der Welt glauben machen wollen, der Aufstand der Bürger vom Maidan sei ein „faschistischer Putsch“. Diese Behauptungen haben sich nun als das entlarvt, was sie sind: russische Propaganda. Die übrigens auch in Deutschland recht erfolgreich war, und keineswegs nur bei Anhängern der Linken.

Neue Regierung muss Korruption bekämpfen

Für die Ukraine markiert diese Abstimmung eine Zeitenwende, das Ende der Übergangszeit nach dem Maidan. Jetzt muss die neue Regierung endlich Reformen in Angriff nehmen, vor allem den Kampf gegen die Korruption. Dass auch eine aus der Bürgerbewegung hervorgegangene politische Kraft überraschend gut abschnitt, gibt Anlass zu ein wenig Hoffnung. Und weder die Partei von Präsident Poroschenko noch die des Regierungschefs wurden in dieser Wahl so stark, dass sie nicht auf Koalitionen und Kompromisse angewiesen wären. Nun kommt es darauf an, dass die neue ukrainische Führung nicht die nach der Orangenen Revolution gemachten Fehler wiederholt, sich in kleinlichen Machtkämpfen zu entzweien. Was die Bürger davon halten, hat Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko zu spüren bekommen, deren Partei fast aus dem Parlament flog. Ihr schlechtes Abschneiden zeigt auch, dass man mit schrillen Tönen gegen Moskau in der Ukraine nicht punkten kann.

Moskau wollte Annäherung der Ukraine an die EU verhindern

Der große Verlierer der Wahl in der Ukraine ist allerdings Russlands Präsident Wladimir Putin. Vor einem Jahr machte Moskau Druck auf Präsident Viktor Janukowitsch, den Vertrag mit der EU nicht zu unterzeichnen. Später soll ihn die russische Führung sogar gedrängt haben, den Protesten in Kiew ein Ende zu machen, notfalls mit Gewalt. Russland wollte die Annäherung der Ukraine an die EU verhindern und das Land in einer selbst definierten „Einflusssphäre“ halten – und erreichte das Gegenteil. Statt des leicht lenkbaren Janukowitsch hat Putin es nun mit einer demokratisch legitimierten und selbstbewussten Führung in Kiew zu tun. Ironischerweise trug Putin also dazu bei, dass die Ukraine sich schon jetzt so klar zu europäischen Werten bekennt. Russlands letzter Hebel in dem Nachbarland ist der militärische Konflikt in der Ostukraine. Es ist daher zu fürchten, dass dieser Konflikt so schnell nicht gelöst werden kann.

Putins größter Alptraum

Denn der Kreml hat ein Interesse daran, dass das Nachbarland auf seinem Weg Richtung Europa scheitert. Eine freie und demokratische Ukraine könnte auf lange Sicht ein Vorbild und Bezugspunkt für Russlands Opposition werden und die dortige Protestbewegung wieder aufleben lassen. Damit aber würde Putins größter Alptraum Wirklichkeit.

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