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Gasstreit

© dpa

Russland und Ukraine: Gasstreit vor dem Kadi

Gasprom will das ukrainische Energieunternehmen Naftogas vor das internationale Schiedsgericht zerren. Experten hoffen dennoch, dass beide Seiten sich angesichts der Schäden für ihr internationales Ansehen auf einen Kompromiss einigen.

Der Gasstreit zwischen Moskau und Kiew geht in eine neue Runde. Russlands Monopolist Gasprom will gegen den ukrainischen Staatskonzern Naftogas beim internationalen Schiedsgericht in Stockholm wegen Nichterfüllung der Transitabkommen klagen. Sie regeln die Durchleitung russischer Exporte nach Westeuropa. Durch die Ukraine fließen rund 80 Prozent des russischen Gases in Richtung Westen.

Aus eben diesen Mengen zweigt Kiew, seit Gasprom die Lieferungen für die Ukraine am 1. Januar einstellte, Gas für den Eigenbedarf ab. Deutschland, das seit Jahresbeginn verstärkt über Weißrussland beliefert wird, ist noch nicht betroffen, wohl aber die direkten Anrainer der Ukraine: Ungarn, die Slowakei und Rumänien. Dort und in Bulgarien kamen am Samstag nur noch vier Fünftel der üblichen Gasmenge an.

Dies berichteten unabhängige Beobachter, die dort und in der letzten russischen Verdichtungsstation vor der Grenze mit der Ukraine den Druck in der Leitung maßen. Kiew dagegen hatte den Experten den Zugang zu Anlagen auf ukrainischem Gebiet verweigert und die Manipulationen zunächst auch bestritten. Am Samstagabend kam allerdings auch vom Importeur Naftogas Klartext: Das einbehaltene Gas, sagte Konzernsprecher Valentin Semljanski dem Moskauer Sender „Echo Moskwy“, würde gegen die Transitgebühren verrechnet, die Gasprom für die Durchleitung nach Europa zahlen muss. Die Summe entspreche eben jener Menge Gas, die die Ukraine einbehalten könne.

Mitnichten, blaffte Gasprom-Sprecher Sergej Kuprianow beim gleichen Sender kurz darauf zurück. Die von Kiew beanspruchte Gasmenge sei nach russischer Rechnung fast das Fünffache der Transitgebühren wert – jedenfalls dann, wenn man den Weltmarktpreis zugrunde lege. Die Ukrainer hätten sich das Debakel selbst eingebrockt, als sie Silvester den von Moskau angebotenen künftigen Gaspreis von 250 Dollar pro 1000 Kubikmeter ablehnten. Dafür hatten sie allerdings gute Gründe: Gasprom hatte den „Vorzugspreis“ vom Abschluss eines Jahresvertrages abhängig gemacht. Naftogas dagegen wollte sich nur für das erste Quartal festlegen und hofft, dass derweil die Preise für Gas ähnlich wie die für Öl fallen.

Inzwischen schaltete sich sogar Russlands Präsident Dmitri Medwedew in das Gerangel ein. Am Samstagabend und mitten in den zehntägigen Neujahrsferien bestellte er Gasprom-Chef Alexej Miller ein, um mit diesem den Feinschliff der Klage vor dem internationalen Schiedsgericht vorzunehmen. Formaljuristisch hat Moskau die besseren Karten. Anders als die mit der Ukraine abgeschlossenen Lieferverträge, die Ende 2008 ausliefen, gilt das Transitabkommen für die Durchleitung nach Westeuropa bis 2010.

Experten hoffen dennoch, dass beide Seiten sich angesichts der Schäden für ihr internationales Ansehen auf einen Kompromiss einigen – womöglich bereits in der kommenden Woche. Viel wird von der Position der Europäischen Union abhängen, wo das Thema dieser Tage ebenfalls ganz oben auf der Tagesordnung steht. Der EU wird dabei ein Drahtseilakt abverlangt. Einerseits gilt es, das gestörte Verhältnis zu Russland nicht weiter zu belasten, andererseits hofft die Ukraine auf eine Dividende für ihren prowestlichen Kurs. Falls die EU jetzt nicht helfe, dann werde die Regierung in Moskau irgendwann auch gegenüber Westeuropa ihre Haltung in Fragen der Energiesicherheit verschärfen, warnte der Wirtschaftsberater des ukrainischen Präsidenten Viktor Juschtschenko, Oleksander Schlapak, am Sonntag in einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters.

Die tschechische EU-Präsidentschaft demonstriert unterdessen angesichts der Krise Gelassenheit. An diesem Montag treffen sich die EU-Botschafter, um die Lage zu besprechen, und am Donnerstag werden sich die EU-Außenminister bei einem informellen Treffen in Prag über den Stand der Dinge informieren. Ein Grund für die Zurückhaltung der EU ist, dass ohne genaue Prüfung der Lage niemand einschätzen kann, wer die Schuld an dem Gasstreit trägt.

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