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Alles im Blick. Der Kreml unter Staatschef Wladimir Putin hat der amerikanischen Organisation USAID die weitere Tätigkeit in Russland untersagt – möglicherweise eine Revanche für die Massenproteste im vergangenen Dezember.

© dpa

Russland: Unerwünschte Einmischung

Die US-Organisation USAID unterstützte Wahlbeobachter in Russland – deshalb muss sie bis Ende des Monats das Land verlassen. Menschenrechtler sprechen von einem Racheakt des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Russland hat die US-Behörde für Entwicklungszusammenarbeit (USAID) ausgewiesen. Die Organisation hatte 1993 ihre Tätigkeit in Russland aufgenommen und zahlreiche soziale und zivilgesellschaftliche Projekte gefördert. Am 1. Oktober ist nun Schluss damit.

Die Tätigkeit der Agentur in Russland, hieß es zur Begründung in einer Erklärung des Moskauer Außenamtes, habe „bei Weitem nicht immer den … deklarierten Zielen – Unterstützung der Entwicklung bilateraler humanitärer Zusammenarbeit – entsprochen“. Durch die Verteilung von Fördergeldern an Organisationen der Zivilgesellschaft habe USAID trotz mehrfacher Abmahnung versucht, „politische Prozesse, darunter auch Wahlen auf allen Ebenen, zu beeinflussen“. Die russische Zivilgesellschaft sei hingegen reif genug und benötige keine Anweisungen „von außen“, sagte Außenamtssprecher Alexander Lukaschewitsch. Moskau sei jedoch weiterhin gewillt, mit der US-Behörde in Drittländern zusammenzuarbeiten, erklärte der Sprecher weiter.

Der Rauswurf wurde erst in dieser Woche publik, obwohl eine entsprechende Note der Moskauer Regierung nach den Berichten russischer Medien bereits am 12. September in Washington eingegangen sein soll. Es ist zu vermuten, dass der Rauswurf auf Anweisung des Kreml geschah. Präsident Wladimir Putin habe damit nichts zu tun, dementierte dessen Pressesprecher umgehend. Allerdings hatte Putin bei seinem Treffen mit US-Außenministerin Hillary Clinton in Wladiwostok vor wenigen Tagen den Schritt offenbar angedeutet.

Die Ausweisung sei ein Racheakt Putins, beharrte trotz des Dementis Lew Ponomarjow, der Vorsitzende der Bewegung „Für Menschenrechte“. Vor allem Mitarbeiter von Golos – einer auf Wahlbeobachtung spezialisierten, nicht staatlichen Organisation, die von USAID finanziell unterstützt wird – hatten bei den Parlamentswahlen im Dezember flächendeckende Manipulationen des Wählerwillens festgestellt. Das war gewissermaßen der Funken, der zu den landesweiten Massenprotesten führte – darin sind sich in Moskau das Regime und dessen Gegner ausnahmsweise einig.

Golos-Chefin Lilija Schibanowa sieht durch den Rauswurf von USAID die meisten Projekte akut gefährdet. Die Kollegen der internationalen Menschrechtsorganisation Memorial sowie die Moskauer Helsinki-Gruppe, die ebenfalls von USAID gefördert werden, sind in ähnlichen Schwierigkeiten. Aufstecken will Ludmila Alexejewa, die 85-jährige Vorkämpferin der Dissidentenbewegung, dennoch nicht: Als sich die Helsinki-Gruppe 1976 gründete, habe man auch ohne Geld arbeiten müssen, argumentierte sie. Das werde man jetzt wieder tun.

In Washington reagierte die US-Regierung unterdessen auffällig moderat auf den Rauswurf. Victoria Nuland, die Sprecherin von Außenministerin Clinton, sagte, dass Moskau über die Entscheidung in einem Brief informiert habe. „Wir sind außerordentlich stolz, was USAID in den letzten 20 Jahren in Russland geleistet hat“, sagte Nuland. Nach Ansicht von US-Experten sind beide Seiten bemüht, den Konflikt herunterzuspielen. Andere Interessen haben Priorität: Für die USA ist die Unterstützung des Kreml für den Einsatz in Afghanistan sowie die Iran-Politik wichtiger. Und außerdem dürfen andere Organisationen, die die Demokratisierung Russlands mit US-Geldern fördern, zunächst ihre Arbeit fortsetzen.

Die Mittel für USAID in Russland waren in den vergangenen Jahren gesunken. Für 2012 waren 50 Millionen Dollar eingeplant; das entspricht der Hälfte des Budgets in den 90er Jahren. 59 Prozent des Etats der Organisation entfielen auf die Förderung der Demokratie, die Unterstützung der Wahlbeobachtung durch unabhängige russische Organisationen und den Aufbau der Zivilgesellschaft. Ein Drittel des Etats floss in Gesundheitsprogramme und etwa fünf Prozent in den Umweltschutz.

Dem Kreml war die Hilfe für regimeunabhängige Organisationen seit langem ein Dorn im Auge. Wer Förderung aus dem Ausland erhält, muss besondere bürokratische Auflagen erfüllen. Die Organisationen müssen stets mit Problemen wegen angeblicher Steuervergehen rechnen. Nach amerikanischer Lesart bedeutet der Rauswurf von USAID, dass die US-Mitarbeiter, die die Programme überwachten, Russland verlassen müssen. Es könnten aber weiter Hilfsgelder an russische Organisationen fließen.

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