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Medwedew

© AFP

Russland: Vier Kandidaten und keine Wahl

Bei den Präsidentschaftswahlen in Russland am 2. März steht der Sieger schon fest. Dass Dmitri Medwedew Wladimir Putin beerben wird, liegt nicht nur an der Medienmacht der Kremlpartei "Einiges Russland" und an der Popularität Putins, sondern auch an der zerstrittenen Opposition, die wieder einmal nur unwählbare Kandidaten ins Rennen geschickt hat.

Zudem wurde eine Reihe von Bewerbern schon früh von der Wahl ausgeschlossen, da sie die geforderten zwei Millionen Unterschriften nicht ordnungsgemäß abgeliefert hätten. Als jüngstes Opfer gilt der letzte im Rennen verbliebene Oppositionelle, Michail Kasjanow, dem Ende Januar Betrug vorgeworfen worden war. Demnach seien 80.000 der zwei Millionen Unterschriften gefälscht, argumentierte die Wahlkommission. Eine echte Chance hätte Kasjanow ohnehin nicht gehabt: Er gilt als einer der unpopulärsten Politiker des Landes. Umfragen vom Januar sahen den Oligarchen-Freund bei rund zwei Prozent.

Andrej Bogdanow – Der Unbekannte

Der Vorsitzende der „Demokratischen Partei“ ist der wohl unbekannteste Anwärter auf die Nachfolge von Wladimir Putin und ähnelt in den Augen vieler Russen mit seinen langen Haaren eher einem Rockstar aus den 70ern als dem Präsidenten von morgen. Bei den Duma-Wahlen im Herbst konnte seine Partei nur rund 0,13 Prozent der Stimmen gewinnen – das sind etwa 90.000 Wähler landesweit. Umso erstaunlicher ist, dass Bogdanow trotzdem zwei Millionen Unterschriften für seine Präsidentschaftskandidatur gesammelt haben will und damit bei den Wahlen antreten kann.

Politisch verfolgt Bogdanow eine liberal-europäische Agenda. Bei den Duma-Wahlen gab er seine Stimme in Russlands Botschaft in Paris ab und erklärte, er sei „auf Einladung unserer Freunde“ nach Frankreich gekommen. Dies sei auch deshalb überaus symbolhaft, weil sich seine Partei für die Integration Russlands in die EU einsetze und eine Volksabstimmung in Russland über die Frage abhalten wolle.

Kritiker führen dagegen an, Bogdanows liberale Gesinnung sei nur gespielt und sein Plädoyer für eine Integration Russlands in die EU utopisch. Seine Kandidatur sei vom Kreml geplant, um Chancengleichheit zwischen autoritären und freiheitlichen Kräften vorzugaukeln. In Wahrheit vertrete Bogdanow die Interessen Putins, weil er mit seinem illusorischen Programm Liberalen und Demokraten das Wasser abgrabe. Für diese Version spricht zum einen die Tatsache, dass Bogdanow vormals hohe Posten in der Putin-Partei „Einiges Russland“ bekleidete. Zum anderen wäre so zu erklären, wie der weitgehend unbekannte Politiker überhaupt zur Wahl zugelassen werden konnte – was anderen Oppositionskandidaten unter fadenscheinigen Argumenten verwehrt blieb. Eine wählbare Alternative zum Putin-Kandidaten Medwedew ist Bogdanow in keinem Fall.

Wladimir Schirinowski – Putins Hofnarr

Laut Umfragen kann der Rechtsextreme Wladimir Schirinowski mit Platz zwei oder drei bei den Präsidentschaftswahlen rechnen. Der Vorsitzende der „Liberaldemokraten“ ist seit Jahren in den Medien vertreten und genießt deshalb geringe aber konstante Popularität.

Erklärtes Ziel Schirinowkis ist die Wiederherstellung eines Großrusslands in den Grenzen von 1917 – also einschließlich Polens, der Ukraine, Weißrusslands und Finnlands. Auch sonst macht der Populist immer wieder mit ungewöhnlichen Vorschlägen von sich reden. So forderte er 1999 die Wiedereinführung der Monarchie, 2003 schlug er in sichtlich betrunkenem Zustand die Bombardierung von Baku und Tiflis vor, die sich gegen Moskau verbündet hätten. Bei den Wahlen vor vier Jahren trat er nicht selbst gegen Putin an, sondern schickte seinen Leibwächter Oleg Malyschkin in den Ring, der schließlich auf zwei Prozent der Wählerstimmen kam.

In der Duma stimmen Schirinowskis „Liberaldemokraten“ aber regelmäßig mit Putins „Einiges Russland“; der Präsident selbst ist nie Zielscheibe seiner Agitationen. Im System Putin wird der Politclown auch deshalb geduldet, weil er mit nationalistischen Parolen Stimmen am rechten Rand des Wählerspektrums neutralisiert und Protestwähler an sich bindet. Eine ernsthafte Gefahr für das System stellte Schirinowski nie dar.

Gennadi Sjuganow – Das Fossil

Der Chef der Kommunisten ist den Russen ebenfalls wohl bekannt – er kandidiert bereits zum dritten Mal für das Präsidentenamt und erreichte mit 29 Prozent der Wählerstimmen im Jahr 2000 ein respektables Ergebnis. Laut Umfragen kann er diesmal mit knapp zehn Prozent rechnen.

Sjuganows politische Ziele lesen sich wie eine Reise in die Vergangenheit: Verstaatlichung der Bodenschätze und der Rüstungsindustrie, Kampf gegen Armut und Inflation, Erhöhung der Renten. Er hofft vor allem auf die Stimmen derjenigen, die zu Sowjetzeiten der Nomenklatura angehörten und sich im kapitalistischen Russland nicht wieder finden.

Für Putin hat Sjuganow wenig freundliche Worte übrig, kritisiert ihn aber auch nicht direkt. Stattdessen beklagt er, die Gesellschaft werde „auf unverblümte und arrogante Weise manipuliert“. „Neue Zaren“ würden dem russischen Volk auferlegt, so der KP-Chef bei seiner Nominierung.

Trotzdem wünscht sich der Kreml angeblich ein relativ gutes Abschneiden Sjuganows, um den Urnengang – möglicherweise sogar mit einer zweiten Wahlrunde – demokratischer erscheinen zu lassen. Ein ernst zu nehmender Gegner ist Sjuganow ohnehin nicht, da seine Kommunisten Schwierigkeiten haben, über die alternde Stammwählerschaft hinaus Stimmen zu gewinnen. Für alle anderen Wähler wirkt er eher wie ein Schlachtross aus der Vergangenheit. In seiner Eigenschaft als KP-Chef wäre es für ihn zudem schwierig, als Kandidat einer nicht-kommunistischen Opposition aufzutreten: „Für eine Vereinigung sind eine gemeinsame Basis und Strategie erforderlich. Ich sehe nichts, was uns mit den Aktivisten von ‚Anderes Russland’ vereinigen könnte“, betont Sjuganow. Gerüchten zufolge soll es eine Vereinbarung mit Putin geben, derzufolge Sjuganow im Wahlkampf in Ruhe gelassen werde – andernfalls habe der KP-Chef mit Boykott gedroht.

Dmitri Medwedew – Putins „Garantieschein“

Der Kandidat von „Einiges Russland“ wirkt zwar in den Augen vieler uncharismatisch und blass, steht aber seit seiner Nominierung durch Präsident Putin bereits als Wahlsieger fest. So erklärte an Weihnachten mehr als die Hälfte der Wähler, den Kandidat Putins wählen zu wollen – egal welchen.

Der breiten Öffentlichkeit ist der Jurist bislang vor allem als Gasprom-Aufsichtsratschef bekannt. Außerdem machte er sich als Vize-Premier und dabei als Beauftrager für Gesundheit, Wohnungsbau und Bildung einen Namen. Die steigenden Erlöse der Exportwirtschaft will er in Sozialprogramme investieren, lehnt aber Eingriffe in den freien Markt ab. Sich selbst bezeichnet Medwedew als „Pragmatiker“ und stellt fest: „Ideologie ist eine schädliche Sache“. In der Außenpolitik denke er „europäisch“.

Medwedew ist damit sowohl für die technokratische Elite des Landes als auch für Ivan Normalverbraucher wählbar. Russische Unternehmer reagierten auf die Nachricht seiner Nominierung „begeistert“. Von einem Wechsel zu Medwedew versprechen sie sich vor allem und Stabilität und Planungssicherheit. Auch große Teile der Bevölkerung hoffen, dass erst einmal alles bleibt, wie es ist. Selbst die Grünen, die zur Duma-Wahl 2007 nicht zugelassen wurden, unterstützen Medwedews Kandidatur.

Große Schwäche des Petersburger Juristen sind seine öffentlichen Auftritte. Dabei wirke er steril, glatt und langweilig, bemängeln Kommentatoren. „In ganz Russland findet man keine ausdruckslosere Persönlichkeit“, hieß es dazu Ende 2007 in der Presse. Seine Reden seien vage, langatmig und Minuten später könne man sich an nichts mehr erinnern. „Er ist einfach ein Funktionärstyp, wie gemacht für jedes System“. Angeblich hat Medwedew inzwischen sogar Putins Gestik einstudiert, um beim Volk besser anzukommen.

Das Volk wird ihn trotzdem wählen – wohl wissend, dass auch Wladimir Putin bei seiner Amtsübernahme im Jahr 2000 ähnliche Vorbehalte entgegen gebracht worden waren. Wer damals dachte, bei dem Petersburger handele es sich um eine Marionette des Jelzin-Clans, wurde jedenfalls eines Besseren belehrt.

Jörg Vogler

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