zum Hauptinhalt
Mit aller Macht. Ein Oppositioneller wird bei Protesten gegen Wahlfälschungen in Moskau festgenommen. Insgesamt wurden 300 Menschen inhaftiert. Foto: Andrey Smirnov/AFP

© AFP

Russland: Wieder Demonstrationen und Festnahmen

Nach offenkundig manipulierten Wahlen am Wochenende sind auch am Dienstag wieder Oppositionelle in Russland Städten auf die Straße gegangen. Mehrere hundert Demonstranten wurden festgenommen - die Regierung ließ in Moskau Truppen aufmarschieren.

Ordnungsstrafen und Arrest von bis zu 15 Tagen drohen jenen dreihundert Teilnehmern, die am Montagabend auf einer Protestkundgebung der außerparlamentarischen Opposition in Moskau festgenommen wurden. Anwälte hatten bisher keinen Zutritt zu ihren Mandanten. Amnesty International sprach von „Häftlingen aus Gewissensgründen“: Die Demonstranten hatten die Parlamentswahlen am Sonntag als Farce und deren Ergebnisse als illegitim bezeichnet und skandierten Losungen wie „Schande“ oder „Putin, hau ab und gib die Macht an das Volk zurück“. Zwar habe sich, so der neoliberale Oppositionsführer Boris Nemzow, die Putin-Partei Einiges Russland diesmal nur die knappe absolute Mehrheit genehmigt, real hätte sie jedoch maximal 35 Prozent aller Stimmen eingefahren.

Bei neuen Protesten am Dienstag sind in Moskau und St. Petersburg mehr als 500 Menschen vorübergehend festgenommen worden. Dem privaten Fernsehen zufolge fanden landesweit in etwa 50 Städten Proteste statt. In Moskau fanden sich hunderte Oppositionelle auf dem Triumfalnaja-Platz zusammen, nachdem sie sich im Internet dazu verabredet hatten. Polizisten drängten Demonstranten ab, während regierungstreue Gegendemonstranten ihre Parolen skandieren durften.

Oppositionsführer Nemzow, der auch am Dienstag vorübergehend festgenommen wurde, gehört zu den Gründungsmitgliedern von Solidarnost, einem außerparlamentarischen Bündnis, das den Einfluss der seit acht Jahren nicht mehr in der Duma vertretenen liberalen Opposition stärken will. Fernziel ist ein Rechtsstaat nach dem Vorbild westlicher Demokratien. In der Bevölkerung jedoch konnte Solidarnost auch wegen interner Rivalitäten bisher kaum punkten.

Mit aller Macht. Oppositionsführer Boris Nemtsov wird bei einer nicht genehmigten Protestdemonstration in Moskau vorübergehend festgenommen. Foto: Kirill Kudryavtsev/AFP
Mit aller Macht. Oppositionsführer Boris Nemtsov wird bei einer nicht genehmigten Protestdemonstration in Moskau vorübergehend festgenommen. Foto: Kirill Kudryavtsev/AFP

© AFP

Dennoch hatten sich bei der Protestkundgebung am Montagabend rund 8000 Menschen um die vor dem Denkmal für den Dichter Alexander Gribojedow aufgebaute Bühne in leuchtendem Orange geschart – der Farbe der Revolution in der Ukraine 2004. So viele Demonstranten waren seit den Hungerrevolten gegen Ende der Perestroika nicht mehr auf den Straßen. Allein das spricht Bände über den Frust der politikverdrossenen Massen. Auch wenn der Rekord darauf zurückzuführen ist, dass die Kundgebung, anders als diejenigen vom Dienstag, genehmigt war. Die Polizei griff daher erst ein, als mehrere Demonstranten sich nach Ende der Kundgebung zum – nicht genehmigten – Marsch in Richtung des Gebäudes der Zentralen Wahlkommission formierten. Gleich danach sperrten Sondereinheiten die Plätze in Kremlnähe und die Zugänge zur Duma. Am Dienstag wurden Truppen des Innenministeriums nach Moskau verlegt: Einheiten, die bei Unruhen und Bürgerkrieg zum Einsatz kommen. Darunter war auch die seit dem Tschetschenienkrieg berüchtigte Dserschinski-Division, die sich nach wie vor nach dem Eisernen Felix nennt, dem Gründer des KGB-Vorläufers Tscheka. Premier Wladimir Putin ging indirekt auf die Unzufriedenheit vieler Bürger ein. „Natürlich wird es ernsthafte und grundlegende Erneuerungen bei der Regierungsbildung geben“, sagte er. „Man muss auf schärfste Art und Weise auf alle Verletzungen der Rechte der Menschen reagieren.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false