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Politik: Russlands Schulden: Putin hat kein Geld für Abbezahlung

Die Zeichen stehen auf Sturm. Erstmals in der postsowjetischen Ära, so hatte sich Premier Michail Kasjanow im Dezember vor Putin gebrüstet, werde Russland 2001 einen Haushalt ohne Neuverschuldung haben.

Die Zeichen stehen auf Sturm. Erstmals in der postsowjetischen Ära, so hatte sich Premier Michail Kasjanow im Dezember vor Putin gebrüstet, werde Russland 2001 einen Haushalt ohne Neuverschuldung haben. Mehr noch: Kasjanow lockte mit außerplanmäßigen Mehreinnahmen von 70 Milliarden Rubel (2,46 Milliarden Dollar). Über deren Verteilung, so der Premier, dürften die Abgeordneten selbst verfügen, wenn sie im Gegenzug - auch das ein Novum in der Geschichte des neuen Russlands - den Etat vor Beginn des neuen Finanzjahrs unter Dach und Fach bringen würden. Verschwiegen hatte der Premier dabei allerdings, dass seine Kalkulation auf äußerst wackeligen Füßen steht: Sämtliche Bilanzen gingen von erfolgreichen Umschuldungsverhandlungen mit den Gläubigerstaaten und neuen Krediten vom Internationalen Währungsfond aus.

Die erste Luftblase zerstach Bundeskanzler Gerhard Schröder, der bei seinem Weihnachtsbesuch auf pünktliche Zahlung bestand. Auch neue Darlehen kann Moskau vergessen. Anfang Februar bescheinigte eine IWF-Abordnung Moskau mangelnden Reformeifer. Die Folge: Im angeblich schuldenfreien Haushalt gähnt nun ein Loch von mindestens 182 Milliarden Rubel. Das sind 6,3 Milliarden Dollar. Für das Kabinett Grund genug, auf einer Krisensitzung am 13. Februar nach zusätzlichen Einnahmen zu fahnden. Herausgekommen ist ein hoch spekulativer Notstandsplan von bestenfalls 107 Milliarden Rubel zusätzlich. Allein 80 Milliarden Rubel sollen gleich bleibend hohe Weltmarktpreise für Öl und Erdgas in die Kassen spülen.

Haushaltsausschuss-Vorsitzender Alexander Schukow konterte daher postwendend in einer Talkshow: Die Regierung verfüge "über keinerlei politische Ressourcen, um die Abgeordneten zu zwingen, dem Entwurf in seiner jetzigen Form zuzustimmen" und werde mit dem Projekt "auf Granit beißen". Im Klartext: Kasjanows Änderungswünsche würde die Duma mit einem Misstrauensvotum gegen das Kabinett beantworten. Auch ist angesichts der unsicheren Finanzierung des Schuldendienstes die Gefahr eines Staatsbankrotts keineswegs gebannt. In diesem Fall aber will der Kreml Premierminister Kasjanow abschießen. Der Kreml hätte dann nicht nur einen plausiblen Anlass, den von Anbeginn als zweite Wahl gehandelten Technokraten loszuwerden, sondern angesichts des Volkszorns sogar die moralische Pflicht dazu. Dennoch will es die Duma nicht zum Äußersten kommen lassen. Um die Verpflichtungen der Regierung und die Begehrlichkeiten der Volksvertreter unter einen Hut zu bringen, müsste Geld gedruckt werden. Dazu aber ist niemand bereit. Verweigert das Parlament dem Premier jedoch dreimal die Zustimmung, muss Präsident Putin Duma-Neuwahlen ansetzen. Das aber wäre für die Mehrheit der Abgeordneten politisches Harakiri.

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