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Politik: Saar-Ministerpräsident Peter Müller über die Rolle der CDU, Konzepte für die Rente und "schmerzfreie Politik" (Interview)

Was haben Sie an der Saar vorgefunden, einen verkommenen Laden?Ein konsequent in roten Beton gegossenes Land.

Was haben Sie an der Saar vorgefunden, einen verkommenen Laden?

Ein konsequent in roten Beton gegossenes Land. Die Ministerbüros waren im wahrsten Sinne des Wortes leer gefegt. Es war kein beschriebenes Papier da, es gab noch nicht mal mehr unbeschriebenes Papier. Die Festplatten der Computer waren gelöscht. Wenigstens können wir jetzt neu anfangen.

Ihre Sozialministerin ist DGB-Funktionärin, der Umweltminister war Vorsitzender des Naturschutzbundes. Die CDU im Saarland ist damit eine fast vorbildliche Volkspartei. Gilt das für die CDU im Bund auch?

Die CDU muss Volkspartei sein, um mehrheitsfähig zu bleiben. Sie darf nicht nur stehen für ökonomische Effizienz, sondern auch für soziale Ausgewogenheit. Dieser Begriff ist unter den Bedingungen der Globalisierung neu zu definieren. Aber die soziale Symmetrie ist überlebenswichtig.

Daraus folgt?

Was in Deutschland an Konzepten zur Neuordnung der sozialen Sicherung auf dem Markt ist, ist Flickschusterei. Wir müssen dem Gesichtspunkt der Solidarität Rechnung tragen und auf der anderen Seite auch die Leistungsgerechtigkeit richtig definieren. Am Ende wird sich erweisen, ob die CDU noch für die soziale Marktwirtschaft steht.

Was heißt das für die Rentenpolitik?

Kurzfristig müssen wir verhindern, dass die Beitragssätze zur Rentenversicherung in den nächsten zwei, drei Jahren steigen. Dazu sollten wir zwar bei der nettolohnbezogenen Rente bleiben, aber die Erhöhung der Nettolöhne aufgrund der zusätzlichen familienpolitischen Leistungen der Bundesregierung herausrechnen. Außerdem werden wir den demografischen Faktor berücksichtigen müssen.

Wie wollen Sie das bezahlen?

Über den Bundeszuschuss an die Rentenversicherung. An dieser Stelle wird das Sparpaket von Finanzminister Hans Eichel aufgebrochen werden müssen.

Und langfristig?

Wir müssen über das Renteneintrittsalter reden: Warum reden wir über Wochenarbeitszeit, über Jahresarbeitszeit, aber nicht über die Lebensarbeitszeit? Wer länger arbeitet, bekommt ein höheres Rentenniveau, wer kürzer arbeitet, bekommt ein niedriges Rentenniveau. Wenn wir das Rentenniveau nicht halten können, und das wird langfristig so sein, muss die private Eigenvorsorge eine größere Rolle bekommen. Wohlgemerkt: Auf freiwilliger Basis.

Und steuerlich begünstigt?

Das ist dann eine Frage der Spielräume der öffentlichen Haushalte. Private Vorsorge kann ja nicht in erster Linie heißen, der Staat bezahlt.

Vorübergehend kommen Sie ohne Neuverschuldung nicht aus?

Voraussetzung für die Sanierung der Staatsfinanzen ist die Sanierung der Wirtschaft. Die Stärkung der Wirtschaftskraft geht vor der Stärkung der Steuerkraft.

Wie wollen Sie denn die Arbeitsplätze für die Jungen schaffen, wenn die Älteren länger arbeiten?

Es gibt in Deutschland genügend Arbeit für alle. Nur die Preise, zu denen die Arbeit angeboten wird, sind so hoch, dass die Arbeit nicht eingekauft werden kann.

Viele Arbeitgeber werden nicht mitmachen, wenn ihre Beschäftigten künftig bis zum Alter von etwa 67 arbeiten wollen.

Warum nicht? Es gibt Berufe, da nimmt die Leistungsfähigkeit schon ab 23 ab. Dafür werden aber Erfahrungsschätze aufgebaut. Im Moment haben wir die verrückte Situation, dass wir die Leute in den Ruhestand entlassen und sie alle weiterarbeiten wie verrückt. Die machen dann Werkverträge oder laufen in die Schwarzarbeit.

Nimmt die Saar-CDU mit Ihren Positionen eine Sonderrolle ein?

Die Geschichte der Saar-CDU ist stark arbeitnehmerorientiert. Zweitens haben wir eine ausgeprägte ökologische Tradition.

Das hätte sie prädestiniert für die erste schwarz-grüne Koalition auf Landesebene.

Demokratische Parteien müssen untereinander koalitionsfähig sein. Vor fünf Jahren war es im Saarland so, dass die Grünen uns in zentralen Strukturfragen des Landes näher standen als die SPD. Leider gilt mittlerweile für die Saar-Grünen dasgleiche, was für die Bundes-Grünen auch gilt: Ich weiß nicht mehr, wofür sie stehen.

Die Grünen sind doch inzwischen koalitionsfähig bis in die schwärzesten Kreise der CDU.

Im Moment steht bei den Grünen doch der Machterhalt vor der Treue zu eigenen Grundsätzen. Nehmen Sie die Behandlung des Asylrechts, den Ausstieg aus der Atomenergie oder die Menschenrechte in der Außenpolitik.

Mit Blick auf das Türkei-Panzergeschäft sagten sie, ein Panzer ist einer zu viel.

Mit dieser Position bin ich auch in meiner Partei in einer klaren Minderheit. Trotzdem: Wenn ich sehe, mit welcher Selbstverständlichkeit wir bereit sind, einen Panzer und weitere Zulieferungen zum Bau von Flugabwehrraketen einem Land zu liefern, dessen Militär nicht demokratisch kontrolliert ist, in dem es massive Verletzungen der Menschenrechte gibt, in dem Krieg geführt wird und das nach den USA die größte Militärmacht der Nato ist, dann irritiert das schon. Es ist heuchlerisch zu behaupten, wir liefern zunächst nur einen Panzer zur Probe.

Welche Rolle wollen Sie spielen?

Um Dietrich Bonhoeffer zu zitieren: Seid Sand, nicht Öl im Getriebe. Das ist vielleicht so ein Stück Selbstverständnis.

Gibt es eigentlich die "Jungen Wilden" in der CDU, zu denen Sie gehörten, noch?

Das Etikett "Junge Wilde" war unbezahlbar, aber immer falsch. Natürlich lebt diese Gruppe von unterschiedlichen Denkansätzen. Ich stimme etwa mit Roland Koch, dem hessischen Ministerpräsidenten, in vielen Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik überein. In manchen Fragen der Innenpolitik dagegen nicht. Ich hätte die Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft nicht gemacht, ich hätte dann aber auch die Landtagswahl in Hessen nicht gewonnen.

Ursprünglich wollten die "Jungen Wilden" weniger Staat, weniger Fürsorge. Offenkundig haben Sie damit in der CDU wenig Erfolg .

Sowohl CDU wie auch SPD und Grüne ringen um die Frage, wie ein sozial ausgewogenes System unter dem Druck der Globalisierung zu erreichen ist.

Erliegt nicht gerade die CDU der Versuchung, die Politik für den Bürger möglichst "schmerzfrei" gestalten zu wollen?

Das ist nicht ganz falsch. Doch einen Hang zum Populismus haben alle Parteien. Das Bekenntnis zu bitteren Wahrheiten bringt wenig Popularität. Trotzdem kann man den Leuten auch bittere Wahrheiten zumuten. Wir haben noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten, was das Problem der Infragestellung von Besitzständen angeht.

Stellt die CDU nicht gerade die Überzeugungsarbeit fast ganz ein?

Nein. Wir kritisieren die Bundesregierung ja nicht nur. Wir schlagen auch Alternativen vor. Wir haben ein steuerpolitisches Konzept. Zur Gesundheitsreform gibt es ein neues Grundsatzpapier, auch wenn es gewiss noch konkretisierungsbedürftig ist.

Beim Bürger kommt Blockade an.

Alternative ist nicht Blockade. Bei der Rente habe ich den Notausgang definiert, der jeden das Gesicht wahren läßt.

Bei der Gesundheit will die CDU nicht mit der Gesundheitsministerin reden.

Das ist ein ungerechter Vorwurf. Der Ablauf war doch absurd. Es ist völlig unvorstellbar, dass die CDU-geführten Länder der Gesundheitsreform in der jetzigen Form zustimmen. Aber dann gibt es immer noch den Vermittlungausschuss, wo wir miteinander reden können.

Was haben Sie an der Saar vorgef, en[einen verko]

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