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Politik: Saarland muss Grundschulen schließen

Saarbrücken - Die Menschen in Saarbrücken sind empört. 25 000 gingen letzte Woche auf die Straße.

Saarbrücken - Die Menschen in Saarbrücken sind empört. 25 000 gingen letzte Woche auf die Straße. Sie protestierten gegen die Absicht der CDU-Landesregierung, in den nächsten vier Jahren landesweit 91 von 269 Grundschulen zu schließen. Zum Haushaltsnotprogramm des Landes gehören außerdem drastische Einschnitte beim Staatstheater und bei den Landesbeamten.

Eine Bürgerinitiative „Rettet die Grundschulen im Saarland“ erwägt sogar ein Volksbegehren und hat die im Landtag sitzenden Oppositionsparteien SPD, FDP und Grüne grundsätzlich auf ihrer Seite, weil die CDU die Wähler vor der Landtagswahl im September vergangenen Jahres über diese drastischen Sparpläne im Unklaren gelassen habe. Deswegen sprechen sie von Wählerbetrug.

Doch Ministerpräsident Peter Müller und sein Kultusminister Jürgen Schreier sehen angesichts der Finanznot keine andere Möglichkeit: Dem Saarland fehlen neben Geld auch Kinder. Der Haushalt 2005 von insgesamt 3,3 Milliarden Euro kann nur durch neue Schulden in Höhe von über 800 Millionen Euro ausgeglichen werden. Hintergrund ist das Ende der zehn Jahre dauernden Teilentschuldung durch Bund und Länder, die Oskar Lafontaine 1992 vor dem Bundesverfassungsgericht erstritten hatte.

In Zukunft soll es nur noch Grundschulen geben, in denen wenigstens zwei parallele Klassen neu eingeschult werden können. Und das wird auf dem Lande in vielen Gemeinden nicht mehr gelingen. Wurden 1997 noch 12 000 Kinder eingeschult, werden es 2010 voraussichtlich nur noch 8000 sein. „Wir stellen nicht Grundschul-Standorte willkürlich in Frage“, sagte der dreifache Vater Müller. Vielmehr müsse man die Schulstruktur an die Notwendigkeiten anpassen. Ein Teil des eingesparten Geldes soll in die Qualitätsverbesserung der Grundschulen fließen, doch daran wollen die Kritiker nicht glauben. Vor allem die Kommunen befürchten, in Zukunft auf den Mehrkosten für die Schülerbeförderung sitzen zu bleiben.

Auch das Saarländische Staatstheater wird kräftig zur Ader gelassen. 24,5 Millionen Euro fließen bisher jährlich aus dem Landeshaushalt, 2009 sollen es nur noch 18,5 Millionen sein. Damit seien die drei Sparten nicht mehr zu halten, so Generalintendant Kurt Schildknecht, der seinen Vertrag erst im vergangenen Jahr verlängert hatte und von dem Ansinnen nach der Wahl völlig überrascht schien. „Ich fühle mich verarscht“, sagte er vor der Belegschaft und drohte mit Kündigung. Die blieb zwar trotz erster Beschlüsse des Aufsichtsrates vorerst aus, dafür sammelte eine Bürgerinitiative bisher 100 000 Protestunterschriften und trieb tausende von Demonstranten auf die Straße.

Aus dem Kreis der Beschäftigten im öffentlichen Dienst dürften bald weitere hinzukommen. Die Landesregierung fordert einen „Solidarpakt“, was für die Betroffenen nur weniger Geld und längere Arbeitszeit bedeuten kann. Vorsorglich ist das Saarland aus der Tarifgemeinschaft der Länder ausgestiegen. Die Gewerkschaften sind bereits in Kampfstellung. Der heiße Herbst hat im Saarland im Januar begonnen.

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