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Ablösung. Glückwünsche von Wolfgang Böhmer an seinen Nachfolger Reiner Haseloff (links).

© REUTERS

Sachsen-Anhalt: Haseloff übernimmt das Amt des Ministerpräsidenten

Der neuer Regierungschef der schwarz-roten Koalition in Magdeburg wurde gewählt – mit ernüchterndem Ergebnis. Reiner Haseloff löst Wolfgang Böhner im Magdeburger Landtag als Ministerpräsident ab.

Von Matthias Schlegel

Bei diesem Termin mag sich Wolfgang Böhmer am Dienstag ein Gläschen mehr als üblich genehmigt haben. Als er am späten Nachmittag in Freyburg beim Empfang anlässlich des 60. Geburtstages von Gunter Heise, dem Chef des Vorzeigeunternehmens Rotkäppchen Sektkellerei, ein Grußwort sprach, tat das der 75-Jährige bereits als Privatmann. Rund dreieinhalb Stunden vorher war Böhmers Nachfolger, Reiner Haseloff, im Magdeburger Landtag als Ministerpräsident gewählt worden. Böhmer saß derweil bei Haseloffs Frau oben auf der Gästetribüne und war nach der Verkündung des Wahlergebnisses erster Gratulant.

Der 57-jährige neue Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, wie sein Vorgänger in Lutherstadt Wittenberg zu Hause, war nach der Wahl sichtlich gerührt – was wohl nicht allein der Erhabenheit des Augenblicks geschuldet war. Ihn mag auch ein wenig das Wahlergebnis erschüttert haben: Von den 66 anwesenden Abgeordneten der schwarz-roten Koalition hatten nur 57 für ihn gestimmt. Das waren zwar immer noch vier mehr als für die Wahl notwendig gewesen wären, aber ein guter Start war es nicht – erst recht nicht für ein Bündnis, das Harmonie zum Markenzeichen bisherigen gemeinsamen Regierens erhoben hatte.

Für Kontinuität und Verlässlichkeit dieser Landesregierung zu stehen, nehmen vor allem der Christdemokrat Haseloff selbst, vormaliger Wirtschaftsminister, sowie der bisherige und auch künftige Finanzminister Jens Bullerjahn vom Koalitionspartner SPD für sich in Anspruch. Es ist die erste Landesregierung in Sachsen-Anhalt überhaupt, die eine zweite Legislaturperiode in Angriff nehmen kann. Dass der eingeübte Kurs vor allem Konsolidierung des Landeshaushalts bedeutet, erklären Haseloff und Bullerjahn zu jeder sich bietenden Gelegenheit und es ist am Koalitionsvertrag ablesbar.

So soll in dem nach wie vor von Bevölkerungsrückgang geprägten Land weiterhin bei den Landesbediensteten gespart werden. Bei der Opposition, aber auch bei den Gewerkschaften hat die Absicht der Landesregierung, die Zahl der Neueinstellungen im öffentlichen Dienst auf jährlich maximal 400 zu begrenzen, heftige Proteste ausgelöst. Oppositionsführer Wulf Gallert von der Linkspartei wirft den Koalitionsparteien vor, dass sie der Bevölkerung vortäuschten, zum Beispiel mehr Lehrer und Polizisten einstellen zu wollen, in Wirklichkeit aber den Einstellungskorridor gegenüber den Vorgaben der alten Landesregierung halbieren würden. Gallert bezweifelt, dass künftig öffentliche Daseinsvorsorge im Land gewährleistet sei. Und er glaubt auch nicht, dass die SPD damit etwa die von ihr im Koalitionsvertrag verankerte Möglichkeit der Einrichtung von Gemeinschaftsschulen auf freiwilliger Basis realisieren könne. Zumal alle Vorhaben der Koalition unter Finanzierungsvorbehalt gestellt wurden.

Dass die Gemeinschaftsschulen als Möglichkeit für längeres gemeinsames Lernen überhaupt in den Koalitionsvertrag geschrieben wurden, darauf hatte die SPD bestanden. Die CDU hatte sich dagegen mit dem Vorhaben durchgesetzt, die Zuständigkeit für die Hochschulen dem Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium zuzuschlagen. Hochschulpolitik wird also nicht mehr im Kultusministerium angesiedelt sein, das künftig von dem bisherigen Beauftragten des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland in Wittenberg, Stephan Dorgerloh (SPD), geleitet wird. Auf dem SPD-Parteitag, der am vergangenen Wochenende den Koalitionsvertrag abzusegnen hatte, führte dieser Ressortzuschnitt zu erheblichem Unmut. Die 45-jährige CDU-Politikerin Birgitta Wolff, einstige Professorin für Wirtschaftwissenschaften, wird künftig das Wirtschafts- und Wissenschaftsministerin leiten. Sie hatte sich seit einem knappen Jahr im Kultusministerium bereits mit der Materie vertraut machen können. Im Juni 2010 war sie dort Jan-Hendrik Olbertz gefolgt, der zum Präsidenten der Humboldt-Universität gewählt worden war. Neu im Kabinett sind neben Dorgerloh der 46-jährige Holger Stahlknecht (CDU), früherer Staatsanwalt und Innenexperte im Landtag, als Innenminister sowie der 56-jährige Thomas Webel, bislang Landrat des Bördekreises und seit 2004 CDU-Landesvorsitzender, als Minister für Verkehr und Landesentwicklung.

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