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Sachsen-CDU: Die Krise als Chance

Die affärengeschüttelte Sachsen-CDU will nach dem Rücktritt Milbradts mit Tillich einen Neuanfang wagen. Die Parteibasis ist der ewigen Debatten um Korruption, Landesbankdesaster und Waldschlösschenbrücke müde.

Von Matthias Schlegel

Es sollte der letzte große Schulterschluss der Christdemokraten vor der sächsischen Kommunalwahl am 8. Juni werden. Nun ist der Landesparteitag der Sachsen- CDU am heutigen Samstag mehr als das: Es ist der Aufbruch einer Partei, die sich mit einer neuen Spitze erhofft, aus dem mentalen Tief herauszukommen, in das sie eine von Affären gebeutelte Regierung und ein unglücklich agierender Ministerpräsident manövriert hatten.

Wenn heute der designierte Regierungschef, der Sorbe Stanislaw Tillich, in Zwickau zum neuen Landesvorsitzenden gewählt wird, muss er sich um den Rückhalt in der Partei keine Sorgen machen. Die Sachsen-CDU giert nach Geschlossenheit, Ruhe und danach, das mit Georg Milbradt verloren gegangene Renommee wiederzuerlangen. Die Umfragewerte lassen hoffen: Nach der Rücktrittsankündigung Milbradts als Regierungs- und Parteichef Mitte April stieg der Stimmenanteil der CDU jüngst wieder um vier Prozentpunkte auf 44 Prozent. Die Parteibasis ist der ewigen Debatten um Korruption, Landesbankdesaster und Waldschlösschenbrücke müde. Nun bekommt sie nicht nur einen unverbrauchten 49- Jährigen an ihrer Spitze, sondern auch einen Sachsen, einen, der ihre Sprache spricht und ihre Sorgen versteht. Da stört es wenig, dass in den gleichen Umfragen die Hoffnungen in den Neuen deutlich zurückhaltender bewertet werden.

„Eine neun sollte schon als erste Ziffer im Wahlergebnis für Tillich auf dem Parteitag stehen“, sagt ein führender CDU-Landespolitiker. Das wird zwar nicht an das Spitzenergebnis eines Kurt Biedenkopf heranreichen, der einmal gar mit 98 Prozent gewählt wurde. Aber diese Zeiten sind in Sachsen ohnehin vorbei. Für Tillich ist es wichtig, mit einem starken Rückhalt aus der Partei das neue Amt als Regierungschef anzutreten. Am nächsten Mittwoch soll er im Landtag als Nachfolger Milbradts gewählt werden und einer am Boden liegenden Koalition aus CDU und SPD noch einmal Leben einhauchen, ehe bei der Landtagswahl im nächsten Jahr die Karten gänzlich neu gemischt werden. Das wird umso besser gelingen, je stärker der zwar als moderat und einnehmend, aber als politisch wenig profiliert beschriebene Tillich auf die Unterstützung aus seiner Partei bauen kann. Die braucht er auch, wenn er sogleich einige Ministerämter neu besetzen muss – den von ihm selbst bislang besetzten Finanzministerposten, den des Kultusministers, weil Amtsinhaber Steffen Flath als Nachfolger von Fritz Hähle neuer Fraktionschef wird. Möglicherweise den von Sozialministerin Helma Orosz, die für das Oberbürgermeisteramt in Dresden kandidiert. Und vielleicht gar den des angeschlagenen Innenministers Albrecht Buttolo.

Auf zahlreichen Regionalkonferenzen in ganz Sachsen ist Tillich in den vergangenen Wochen gemeinsam mit Milbradt aufgetreten. Während der eine den respektvollen Beifall des erleichterten Publikums zum Abschied genoss, präsentierte sich der andere so, wie man es von ihm gewohnt war: smart, verbindlich, leutselig. Die einzige wirklich aufsehenerregende Vision, die er vortrug, brachte ihm von der Grünen-Opposition umgehend Schelte ein: eine Transrapidstrecke durch die Sächsische Schweiz.

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