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Politik: Sachsen plant Eintrittsgeld fürs Gericht

Länder befürchten Klagewelle wegen Hartz IV – doch Rechtsexperten warnen vor Justiz nur für Reiche

Dresden/Berlin - Es gibt Menschen, die sich gerne streiten – vor allem unter den Augen von Justitia. Diese Zeitgenossen hat der neue sächsische Justizminister Geert Mackenroth (CDU) im Blick, wenn er jetzt fordert, eine Gebühr für die Anrufung von Gerichten zu erheben. „Einige beanspruchen die Justiz missbräuchlich“, sagte Mackenroth dem „Focus“. Mit einer Art „Praxisgebühr für Gerichte“ könnten „Prozesshansel“ abgeschreckt werden, argumentierte der frühere Chef des Deutschen Richterbundes.

Die Länder befürchten derzeit vor allem eine Klagewelle von Arbeitslosen, die gegen abschlägige Arbeitslosengeld-II- Bescheide Widerspruch einlegen. Bleibt dieser erfolglos, können sie gebührenfrei vor dem Sozialgericht klagen. Laut MDR sucht das thüringische Justizministerium bei den Staatsanwaltschaften und Gerichten bereits nach Richtern, um die Sozialgerichte zu verstärken.

Das Bundesjustizministerium mag Mackenroths Vorschlag vor dem Treffen der Länder-Justizminister am Donnerstag in Berlin nicht kommentieren. Bis dahin gelte: „Wir warten ab, welche konkreten Vorschläge von den Ländern kommen, worauf sie sich einigen“, sagte eine Sprecherin. „Vernünftigen Vorschlägen werden wir uns nicht verschließen.“ Alle Versuche einer Justizreform seien aber bislang am Widerstand der Länder gescheitert.

Die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) lehnt die Idee Mackenroths als „einen schlechten Vorschlag“ ab. Schon heute würden in Zivilverfahren Gebühren von jedem Kläger verlangt – in dreifacher Höhe. Diese Summe werde am Ende des Verfahrens zwar verrechnet, Kosten entstünden aber trotzdem.

Die FDP-Politikerin ist der Ansicht, niemand klage „mal so aus Gusto“. Einen „Strafbetrag“ zu erheben und „zu meinen, über den Geldbeutel auszusortieren, halte ich für falsch. Wir wollen doch keine Gerichte nur für Reiche“, sagte sie dem Tagesspiegel. Stattdessen empfiehlt sie Sachsens Justizminister, bei zivilrechtlichen Streitereien ein Schlichtungsverfahren vorzuschalten – wie in Bayern seit Mitte 2000 üblich. Dort ist bei einem Streitwert von höchstens rund 750 Euro eine Klage vor Gericht nur noch dann zulässig, wenn zuvor ein Schlichter angerufen wurde. „Das soll er mal in Sachsen machen“, sagte Leutheusser-Schnarrenberger.

Nach Ansicht des rechtspolitischen Sprechers der Grünen, Jerzy Montag, bezieht sich Mackenroth ausschließlich auf die Sozialgerichtsverfahren. „Da gibt es Prozesshansel, die man auch durch eine Gebühr nicht abhalten kann, unsinnig durch die Gerichte zu hetzen“, sagte Montag dem Tagesspiegel. Auch er befürchtet, dass eine allgemeine Abgabe vor Prozessbeginn vor allem Ärmere abschrecken würde, für ihr Recht zu kämpfen.

Für sinnvoll hält Montag allerdings eine „Missbrauchsgebühr“, wie sie bereits in Einzelfällen vom Bundesverfassungsgericht erhoben wird. „Ich wäre dafür, sich an die Regelung des Verfassungsgerichts zu halten “, sagte der Grünen-Politiker. So wie dort müsse das Verfahren generell kostenfrei sein; es müsse aber möglich sein, dann ein Entgelt zu verlangen, wenn im Prozessverlauf der Verdacht auf Missbrauch entstehe oder wenn ein Kläger wiederholt aus demselben Anlass vor das Sozialgericht ziehen wolle.

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