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© dpa-Zentralbild

Sachsens CDU: Stanislaw Tillich: Er von hier

Mit Stanislaw Tillich fasst die Sachsen-Union wieder Tritt – und hat drei potenzielle Koalitionspartner.

Berlin - Nun haben sie ihn, ihren Sachsen. Auf den Plakaten wird es groß herausgestellt. „Der Sachse“, neben dem Schriftzug das Gesicht von Stanislaw Tillich. Nun ja, ein sorbischer Sachse zwar. Aber immerhin. Denn wer sich stolz „Sachsen-Union“ nennt, weil man es so haben will wie in Bayern mit der CSU, der braucht halt irgendwann auch ein echtes Landeskind an der Spitze. Die Vorgänger Kurt Biedenkopf und Georg Milbradt waren das nicht, auch wenn sie lange Zeit geachtet waren. Doch einmal müssen die Aufbauhelfer- und Westimportzeiten vorbei sein. Dafür steht Stanislaw Tillich.

Glaubt man den Umfragen, wirkt das auch. Tillich ist populär. Im Gegensatz zu seinen Ministerpräsidentenkollegen Dieter Althaus in Thüringen und Peter Müller im Saarland kann der sächsische Regierungschef den Wahlsonntag entspannt verbringen. Er bleibt im Amt. Gegen die CDU geht in Sachsen nichts. Mit etwas Glück reicht es sogar wieder für eine eigene Mehrheit wie vor 2004. Wenn nicht, auch gut. Denn was Koalitionspartner angeht, hat Tillich die Wahl: FDP, SPD oder Grüne, wenn’s dumm läuft eben zwei von denen.

Tillich ist einer, der mit anderen gut kann. Das hat er als Europaabgeordneter gezeigt, als Bundesratsminister, Staatskanzleichef, Ressortchef für Umwelt, Finanzminister. Seine Karriere hängt nicht von intellektueller Brillanz ab, nicht von großem Redetalent oder einem ausgeprägten Machtwillen. Der Diplomingenieur für Getriebetechnik weiß aber, wie man Dinge am Laufen hält, dass man dafür in der Politik Kompromisse machen muss, und dass man für Kompromisse Moderatoren braucht. So hat er sich nach oben gearbeitet. Auch mit Glück. Die Liquiditätskrise der sächsischen Landesbank, die wohl den Landesetat gesprengt hätte, wäre es Ende 2007 nicht zum Notverkauf gekommen, kostete ihn nicht das Amt als Finanzminister – die Ursachen des Debakels lagen vor seiner Amtszeit.

Seit 15 Monaten ist der 50-Jährige aus Panschwitz-Kuckau nun Ministerpräsident, und die vorher streitanfällige Landes-CDU ist plötzlich wieder ganz mit sich im Reinen. Auch die Koalition mit der SPD, von einer machtverwöhnten Union widerwillig eingegangen, weil es 2004 mit der FDP nicht ging, unter Milbradt auch widerwillig geführt, klappte besser. Was beiden Seiten nutzte. Nicht nur die CDU beruhigte sich, auch die SPD legte in den Umfragen zu. Mittlerweile schwächelt sie aber wieder, was man in der Union damit erklärt, dass aus der SPD heraus gegen Tillich gestänkert worden sei – vor allem von dem umtriebigen Landtagsabgeordneten Karl Nolle, der es gern etwas genauer wissen will. Unter anderem hat er seine Nase in die Vergangenheit von CDU-Politikern gesteckt, worüber er im Juni in seinem Buch „Sonate für Blockflöten und Schalmeien“ berichtete. Auch Tillich ist dort Thema, vor 1989 war er für die CDU Funktionär im Kreis Kamenz, Parteischulung inklusive.

Damit ist Tillich nach 1990, wie es so seine Art ist, etwas nonchalant umgegangen. Er hat in offiziellen Fragebogen nicht alles mitgeteilt. Und als das im vorigen Winter publik wurde, kam er mit der Wahrheit nur scheibchenweise heraus. Auch weil es ihn im Nachhinein wohl wurmt, dass er zu DDR-Zeiten etwas konformer lebte als unbedingt nötig. Was ihm jedoch nicht schadete, schließlich sind die meisten Sachsen ja gelernte DDR-Bürger, und haben nicht alle irgendwie ihre Kompromisse gemacht? Der SPD-Aufklärer Nolle wurde von seinem Parteichef Thomas Jurk zurückgepfiffen, der spürte, dass die Ministerposten in Gefahr gerieten. Schließlich hat Tillich die Wahl nach der Wahl. Und Opposition ist Mist, lautet ein Merksatz in der SPD.

Auf Jurks Posten ist natürlich die FDP scharf. Die hat sich, nachdem sie in den 90er Jahren schwer an ihrer LDP-Blockvergangenheit zu leiden hatte, unter dem Vorsitzenden Holger Zastrow berappelt. In der CDU sind die Liberalen derzeit Wunschpartner. Was auch mit der Bundespolitik zu tun hat. Doch wer ist der bessere Partner: der Event-Manager Zastrow oder der geradlinige Nichtakademiker Jurk? Tillich sinnierte unlängst sogar über eine Koalition mit den Grünen, es gebe da „Schnittmengen“. Keine ganz neuen Töne, schon vor der Wahl 1994 gab es ein Liebäugeln mit Schwarz-Grün in beiden Parteien. Die Grünen, auch damals schon mit ihrer heutigen Fraktionschefin Antje Hermenau in der Führungscrew, kostete das die Sitze im Landtag. Hermenau ist jetzt dennoch offen für Gespräche mit der Union. Aber nur ohne die FDP.

Nicht im Spiel, wiewohl zweite Kraft, ist in Sachsen die Linke. Die CDU zu stark, die SPD zu schwach – da bleibt vorerst keine Machtperspektive. Was den Spitzenkandidaten André Hahn aber nicht abhielt, sich als Ministerpräsidentenkandidat vorzustellen. Tillich gab das Gelegenheit, den Wunsch nach einem TV-Duell souverän zu ignorieren. Hahn, gebürtiger Berliner und engagierter Linker (seit dem SED-Beitritt 1985), hat seine Aufgabe nach der Wahl klar vor Augen: „Ich opponiere leidenschaftlich gern.“

Dass die NPD auch wieder zur Opposition gehören könnte, ist den anderen Parteien unangenehm. Es wäre das erste Mal, dass die Braunen den Wiedereinzug in einen Landtag schaffen. Ausgerechnet in Sachsen. Immerhin ist NPD-Fraktionschef Holger Apfel kein Landeskind. Er stammt aus Hildesheim. Stimmen bekommt er trotzdem. Selbst unter Sachsen gibt es Deutschnationale.

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