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Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen, gibt seine Regierungserklärung ab.

© Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa

Sachsens Ministerpräsident: Kretschmer: Es gab keinen Mob in Chemnitz

Sächsischer Ministerpräsident Michael Kretschmer warnt vor Pauschalurteilen – und ruft zum Kampf gegen Rechtsextremismus auf.

Von Sabine Beikler

Mehr als eine Woche nach den Ausschreitungen in Chemnitz hat Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) vor einer pauschalen Diffamierung der Menschen dort gewarnt: „Es gab keinen Mob, es gab keine Hetzjagd und es gab keine Pogrome in Chemnitz“, sagte Kretschmer am Mittwoch in einer Regierungserklärung im Landtag und ausdrücklich der Polizei. Diese habe die Sicherheit in Chemnitz auch in Unterbesetzung gewährleistet.

In der vergangenen Woche war in Chemnitz ein 35-jähriger Deutscher erstochen worden. Im Anschluss war es bei Demonstrationen zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen, an denen sich Rechtsextreme und radikale Hooligans beteiligten. Es wurden auch Videos verbreitet, in denen Männer ausländisch aussehende Menschen verfolgen. Medien und Politiker sprachen anschließend teilweise von einem „Mob“, auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilte „Hetzjagden“ auf Ausländer. Kretschmer sagte, es sollten nicht diejenigen Menschen „an den Pranger“ gestellt werden, die aus Wut über das Tötungsdelikt in Chemnitz auf die Straße gegangen seien. „Die sind nicht rechtsextrem“, sagte er. Und fügte hinzu: Den anderen aber, die gewalttätig geworden seien, „denen sagen wir den Kampf an“. Rechtsextremismus sei „die größte Gefahr für unsere Demokratie“, sagte Kretschmer. Der Widerstand dagegen müsse „aus der Mitte der Gesellschaft“ kommen.

Kretschmer verurteilte die Angriffe auf Journalisten und Ausländer, die es in Chemnitz gab. Die Täter würden zur Rechenschaft gezogen, das gelte auch für diejenigen, „die mit dem Hitlergruß durch Chemnitz gezogen sind“. Zuvor hatten die Abgeordneten mit einer Schweigeminute des Getöteten gedacht.

Der Ministerpräsident wies Kritik zurück, die CDU-geführten Landesregierungen hätten nach der Wende zu wenig für die Bekämpfung des Rechtsextremismus getan. So seien unter anderem über das Programm „Weltoffenes Sachsen“ Initiativen vor Ort seit 2005 mit rund 40 Millionen Euro unterstützt worden. Kretschmer, der seit gut neun Monaten im Amt ist, gab aber zu, dass es nicht gelungen sei, den Rechtsextremismus „endgültig in die Schranken zu weisen“.

Grünen-Fraktionschef: CDU soll den "Ernst der Lage" erkennen

Die Linksfraktion im Landtag hielt der CDU vor, sie werfe gegen rechts engagierten zivilgesellschaftlichen Initiativen seit Jahren „Stöcke in die Speichen“. Grünen-Fraktionschef Wolfram Günther forderte, die CDU sollte endlich „den Ernst der Lage“ erkennen und an einer parteiübergreifenden demokratischen Plattform für eine starke Zivilgesellschaft mitarbeiten.

Wegen des Tötungsdelikts sitzen zwei mutmaßlich aus Syrien und dem Irak stammende Männer in Untersuchungshaft. Nach einem dritten Tatverdächtigen wird seit Dienstag gefahndet.

Am Wochenende hatte die AfD mit der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung und anderen rechten Gruppen Tausende Menschen in Chemnitz auf die Straße gebracht. Kretschmer griff die AfD scharf an und bezeichnete die Partei als Spalter der Gesellschaft – damit sei sie auch für die Ausschreitungen mitverantwortlich. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte im ARD-„Morgenmagazin“, seit Chemnitz habe die AfD „ihre Maske der Bürgerlichkeit endgültig verloren“.

Rot-Rot-Grün in Berlin will „den Gegnern der Demokratie, Rechtspopulisten, Rechtsextremisten und Nazis wie Höcke“, den Kampf ansagen, sagte SPD-Fraktionschef Raed Saleh dem Tagesspiegel. „Wir brauchen ein neues Verständnis von Wir in Deutschland. Chemnitz war eine Warnung, dass das Wir sehr brüchig ist.“ Die Fraktionschefinnen Antje Kapek (Grüne) und Carola Bluhm (Linke) können sich vorstellen, den Berliner Ratschlag für Demokratie mit neuem Leben zu erfüllen. Chemnitz, Demokratiestärkung und sozialen Zusammenhalt will die Koalition nächste Woche im Abgeordnetenhausplenum zum Thema machen. mit dpa/AFP

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