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Politik: Saddam-TV

London kritisiert Interview eines Ex-Ministers mit dem Diktator

Rundfunk und Fernsehen sind zu wichtig, um sie den Journalisten zu überlassen, schrieb der 77-jährige Tony Benn in seinem Buch „Die nächsten zehn Jahre". So machte sich der ehemalige Labour-Energieminister, seit Jahrzehnten die Leitfigur der britischen Linken, selbst nach Bagdad auf und erhielt das erste westliche Interview mit Saddam Hussein seit 12 Jahren.

Nach 50 Jahren als Unterhausabgeordneter gab Benn im letzten Jahr sein Mandat ab, um „mehr Zeit für Politik zu haben". In Großbritannien hat er zurzeit großen Erfolg mit einem Ein-Mann-Theaterabend, bei dem er über sein Leben extemporiert. Nun nahm er im vergoldeten Stuhl gegenüber dem Diktator Platz und fragte in dem am Dienstagabend im britischen „Channel 4“ übertragenen Interview: „Haben Sie Massenvernichtungswaffen?" Saddams in alle Welt verbreitete Antworten werden den Lauf der Geschichte schwerlich ändern.

Massenvernichtungswaffen, klärte der Diktator auf, „kommen nicht in Form kleiner Tabletten. Es ist leicht herauszufinden, ob der Irak sie hat oder nicht.“ Von Benn sanft auf „Schwierigkeiten“ mit den UN-Inspekteuren angesprochen, holte Saddam weit aus. „Beschwerden über kleine Details“ seien bei einer so heiklen Sache zu erwarten. Auf die Frage, ob der Irak Verbindungen zu Al Qaida habe, antwortete Saddam freimütig: „Wenn wir eine Verbindung mit Al Qaida hätten und an diese Verbindung glauben würden, würden wir uns nicht schämen, das zuzugeben".

In der Downing Street wurde die „Friedensmission“ des Labourlinken harsch zurückgewiesen. Man sprach hinter vorgehaltener Hand von einer „Propagandamission". Ein Sprecher rügte den Fernsehkanal für die Ausstrahlung: „Es ist die Aufgabe von ,Channel 4’ zu entscheiden, ob das Interview journalistischen Standards entspricht.“ Benn wurde gestern in der britischen Presse höhnisch für seine sieben devoten Fragen attackiert, bei denen er nicht nachfragte und die Menschenrechte ausgeklammert blieben. Benn forderte den britischen Premier in „Channel 4“ auf, sein „virtuelles Veto“ gegen den Krieg zu nutzen: Bush brauche Blairs Unterstützung, damit habe Blair es in der Hand, den Krieg zu stoppen.

Die britische Regierung wies am Mittwoch eine Meldung der BBC zurück. Die hatte unter Berufung auf Geheimdienstkreise gemeldet, es gebe nach britischer Einschätzung derzeit keine Verbindungen zwischen dem Irak und Al Qaida. Erste Fühlungnahmen seien an „Misstrauen und ideologischen Differenzen“ gescheitert. Doch Außenminister Jack Straw sprach erneut von einem „freundlichen Umfeld“, in dem der Irak Al Qaida operieren lasse. Nach Auskunft des BBC-Verteidigungsexperten Andrew Gilligan herrscht bei den Geheimdiensten „wachsende Unruhe darüber, wie ihre Arbeit politisiert wird“, um so eine Rechtfertigung für einen Krieg gegen den Irak zu finden.

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