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Politik: Sag beim Abriss leise „Rückbau“

Der Bundestag hat am 19. Januar etwas sehr Klares beschlossen: den Abriss des Palastes der Republik.

Der Bundestag hat am 19. Januar etwas sehr Klares beschlossen: den Abriss des Palastes der Republik. Im Februar begann der mit diesem Beschluss gemeinte Vorgang. Aber er heißt jetzt ganz anders: Rückbau. Selbst die Senatsbauverwaltung, die doch gehalten ist, Beschlüsse des Bundestags wortgetreu umzusetzen, benutzt längst nur noch dieses Wort.

Rückbau, das klingt anheimelnd. Der Palast, will das Wort suggerieren, wird durch sanfte architektonische Eingriffe zurückgeführt auf den alten Zustand bei seiner Einweihung durch Kaiser Erich den Ersten im Jahre Einundleipzig – so wie zugewucherte Parkanlagen zurechtgestutzt werden, um die Ideen Lennés wieder sichtbar werden zu lassen.

Nur: Der Palast ist nach dem Rückbau genauso weg wie nach dem Abriss. Also könnte es sich auch um eine Variante jenes Sprachtricks handeln, der etwa aus jungen ausländischen Kriminellen „verhaltensoriginelle Jugendliche mit Migrationshintergrund“ werden ließ. „Da draußen sind Massen von Leuten, die im Palast Jugendweihe gefeiert haben“, mögen Verantwortliche denken, „die hängen an dem Ding. Wenn wir den Abriss Rückbau nennen, dann merken sie es erst, wenn es zu spät ist.“

Aber ach, das sind alles haltlose Konspirationstheorien. Eine Anfrage des Verbands Deutsche Sprache in der Bauverwaltung ergab jetzt: Die Fachkreise sind schuld. Fachkreise: Darunter müssen wir uns Abrissexperten vorstellen, die leise leiden. Keines ihrer Werke wird auf Postkarten gedruckt, kein Architekturhistoriker kennt ihre Namen. Sie gelten als Brutalos, deren Bagger in die Bausubstanz fahren wie Salmiakgeist in die Nase, als Baustellennazis, die sprengen und sägen und Betonkugeln schwingen, bis alles in Schutt und Asche liegt. „Ich bin nicht Presslufthammer-B-b-b-b-bernhard!“ rufen sie verzweifelt, wenn beim Prosecco die Rede auf ihre Profession kommt – doch erst das Wort „Rückbau“ macht alles gut.

Nun muss nur noch aus dem Abrissarbeiter der „Verfahrenstechnologe in der Rückbauwirtschaft“ werden, und der Berufsstand blüht. Seine Leute treten demnächst im Fernsehen auf wie heute nur die Köche. Der Präsident des Rückbaugewerbeverbandes wird bei Kerner Kartenhäuser abtragen, bei Christiansen mit Norbert Blüm über die Renten zanken und im Bundestagsflur für die halbe Mehrwertsteuer auf Tieflöffel und Zweischalengreifer streiten.

Jedenfalls, wenn wir nie wieder „Abriss“ sagen. Das sollte uns das kleine Opfer wert sein.

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