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Politik: Sanfte Schnitte

Von Friedemann Diederichs, Washington Steven Spielbergs Weltkriegs-Schocker „Der Soldat Ryan“, aber ohne abgerissene Gliedmaßen und hervorquellende Eingeweide? Für die freundliche Dame hinter dem Tresen des Video-Verleihs „CleanFlicks“ in der Stadt Mesa im US-Bundesstaat Arizona ist dieser Wunsch kein Problem.

Von Friedemann Diederichs,

Washington

Steven Spielbergs Weltkriegs-Schocker „Der Soldat Ryan“, aber ohne abgerissene Gliedmaßen und hervorquellende Eingeweide? Für die freundliche Dame hinter dem Tresen des Video-Verleihs „CleanFlicks“ in der Stadt Mesa im US-Bundesstaat Arizona ist dieser Wunsch kein Problem. Die Fassung des Kassenknüllers, die sie dem Interessenten aushändigt, kann unbesorgt auch Kindern und Jugendlichen gezeigt werden. „Die ersten 20 Minuten des Films sind zwar noch hart, weil Krieg eben brutal ist,“ sagt sie, „und diese Botschaft kann man nicht ganz heraus zensieren.“ Deshalb bietet die entschärfte Fassung auch noch Blut. Doch Szenen, die auf den Magen schlagen, sucht man vergeblich.

Über 300 verschiedene Filme stapeln sich in den Regalen des Verleihs, eine von derzeit 70 über die gesamte USA verteilte Filialen eines Kettenunternehmens, das derzeit im Eiltempo expandiert. Denn geschockt von Jugendkriminalität und Schul-Massakern greifen immer mehr Eltern zum Nischen-Angebot der jungen Firma: Familienfreundliche Klassiker aus der Traumfabrik Hollywood, aber um Sex, Gewalt und Obszönitäten erleichtert.

So ist es den selbst ernannten Zensoren auch gelungen, solche Horror-Schocker wie „Das Schweigen der Lämmer“ inklusive eines Menschenfleisch verspeisenden Protagonisten für Jugendliche verdaulich zu machen. Nur wenige Filme - darunter auch Stanley Kubriks letztes Werk „Eyes Wide Shut“ - stehen derzeit auf der Liste der „Unzensierbaren“ - weil, wie die Firmengründer Ray Lines und John Dixon versichern, entweder zu viele Eingriffe vorgenommen werden müssten oder die Kernaussage der Filme unter den Schnitten leiden würde.

Als vor 18 Monaten die erste Filiale von „CleanFlicks“ (was sich mit „Saubere Streifen“ übersetzen lässt) im US-Bundesstaat Utah ihre Pforten öffnete, liefen die Filmproduzenten in Los Angeles zunächst Sturm. Doch alle Klagen Hollywoods halfen nichts: Die pfiffigen Video-Verleiher hatten ein rechtlich unangreifbares Betriebsmodell gewählt. Denn jeder Kunde, der in einer Filiale eine Mitgliedschaft beantragt, wird damit auch Mitglied der Firmen-Kooperative, also quasi Mitbesitzer des Unternehmens und somit auch des Filmbestandes. Nach amerikanischem Urheberrecht kann der Besitzer einer Videokassette mit dem Streifen anstellen, was er will. „Man kann diese Filmkopie verbrennen, mit dem Vorschlaghammer zertrümmern oder eben bearbeiten - was immer einem beliebt,“ erklärt ein „CleanFlicks"-Filialleiter.

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