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Demonstrantinnen in weißer Kleidung machen in Minsk Peace-Zeichen.

© dpa

Sanktionen – ohne Russland zu provozieren: Die EU steht angesichts des Wahlbetrugs in Belarus vor einem Dilemma

Die Niederschlagung der Proteste in Belarus schreit nach einer Reaktion der EU. Allerdings ist die Lage anders als in der Ukraine 2014. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Die Proteste in Belarus, denen die Polizei mit Schusswaffen begegnet, wecken düstere Erinnerungen an einen anderen europäischen Schauplatz – an Kiew, wo es auf dem Euromaidan 2014 zu Zusammenstößen mit der damaligen ukrainischen Staatsmacht kam. Das Regime in Kiew wurde damals gestürzt. Russlands Präsident Wladimir Putin nahm dies zum Anlass, um anschließend die Krim zu annektieren.  

Die Erinnerung an den Euromaidan ist für die EU in diesen Tagen insofern wichtig, als die Gemeinschaft vor einem Dilemma steht: Wie kann die EU angesichts des offenkundigen Wahlbetrugs des belarussischen Autokraten Alexander Lukaschenko eine angemessene Antwort zeigen, ohne die Überreaktion des mächtigen russischen Nachbarn zu provozieren?

Dass Moskau handfeste Interessen in Belarus verfolgt, hat die Präsenz russischer Söldner wenige Tage vor der umstrittenen Präsidentschaftswahl vom vergangenen Sonntag gezeigt.  

In der Ukraine, wo der Opposition vor über sechs Jahren der Umsturz gelang, demonstrierten EU-Vertreter seinerzeit massive Präsenz. So zeigte beispielsweise die damalige EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton in Kiew ihre Solidarität mit den Demonstranten.

Die EU kann nicht gleich die große Keule herausholen

Denn ein entscheidendes Ziel des Protests bestand damals darin, ein Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und der EU durchzusetzen. Eine derart enge Bindung an den Club der 27 Staaten im Westen steht für Belarus hingegen nicht zur Debatte.  

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Wenn also über mögliche Sanktionen nach dem Wahlbetrug vom vergangenen Sonntag diskutiert wird, dann gilt zu Recht die Devise: Die EU kann nicht tatenlos bleiben, aber auch nicht gleich die große Keule herausholen. Wenn sich die Gemeinschaft beispielsweise dazu durchringen könnte, Einreiseverbote für Lukaschenkos Gefolgsleute zu verhängen und Konten einzufrieren, wäre das schon ein entscheidender Schritt.

Der belarusische Präsident Alexander Lukaschenko.
Der belarusische Präsident Alexander Lukaschenko.

© via REUTERS

Auch wenn Minsk in Europa liegt, so gibt sich in der EU niemand der Illusion hin, dass sich von Brüssel aus die Demokratie in Belarus einführen lässt. Aber die Freilassung politischer Gefangener und die Entwicklung eines Parteiensystems, das diesen Namen verdient – auf diesen Zielen muss die EU beharren. Sanktionen können dabei helfen, sie durchzusetzen.  

Damit dies gelingt, müssen aber zunächst einmal jene in der EU über ihren Schatten springen, die eine Strafaktion gegen Lukaschenko skeptisch sehen. Zu ihnen zählt in erster Linie Ungarns Regierungschef Viktor Orbán. Bevor die EU nach außen hehre Ziele vertritt, muss sie zunächst in ihrem Inneren mühsam einen Konsens suchen – wieder einmal.  

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