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Weltweiter Protest gegen die Auspeitschung von Raif Badawi. Eine Demonstrantin hält ein Plakat vor der saudischen Botschaft in Den Haag hoch.

© AFP

Saudi-Arabien: Strafpause nach weltweitem Druck

Nach weltweiten Protesten verschiebt Saudi-Arabien die weitere Auspeitschung des oppositionellen Bloggers Raif Badawi. Scharfe Kritik an den Strafen kommt auch aus Deutschland. Dabei kommt eine Doppelstrategie zum Einsatz, damit das Regime sein Gesicht wahren kann.

Von Hans Monath

Das im Internet verbreitete Video ist verwackelt. Man erkennt den Platz vor der Dschafali-Moschee in Dschidda, der zweitgrößten Stadt von Saudi-Arabien. Ein Mann, an Händen und Füßen gefesselt, steht mit dem Rücken zum Betrachter. Vor ihm ein Uniformierter mit einem Stock in der Hand, der ihm schnell Schläge verpasst. Als alles vorbei ist, klatscht die Menge und ruft „Allahu akbar“ („Gott ist groß“).

Die Aufnahme, nach dem Freitagsgebet heimlich gedreht, ist eine Woche alt. Aber so hätte es in Dschidda am Freitag mit der öffentlichen Auspeitschung von Raif Badawi weitergehen sollen. Und dann immer weiter, jeden Freitag bis Ende April. Aus „medizinischen Gründen“ wurde der Termin nach Angaben von Badawis Frau in letzter Minute verschoben. Eine Erklärung der saudischen Behörden dazu wurde nicht bekannt.

Die Nachricht von der Aufschiebung wurde in der Bundesregierung am Freitagnachmittag mit Erleichterung aufgenommen. Zuvor hatte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes die Buße für den Blogger kritisiert und von einer „entsetzlichen und grausamen“ Strafe gesprochen. Sie entspreche „natürlich nicht unserem Verständnis von Menschenrechten“ und sei „nicht hinnehmbar“. Deutschland habe sich bereits dafür eingesetzt, „dass die Strafe nicht vollstreckt wird“ und werde das auch weiter tun, kündigte die Sprecherin an. Einzelheiten zu den Gesprächen nannte sie nicht. Sie wolle nicht deren Erfolg gefährden, meinte sie.

Das Regime in Saudi-Arabien steht unter dem Druck radikaler islamistischer Kräfte

Badawi war wegen „Beleidigung des Islam“ zu zehn Jahren Haft und 1000 Peitschenhieben verurteilt worden. Er hatte auf seiner Internetseite „Liberal Saudi Network“ mehrfach die Religionspolizei für ihre harte Durchsetzung der in dem wahhabitischen Königreich vorherrschenden strengen Auslegung des Islam kritisiert.

Die Aufschiebung der Strafe um eine Woche nach den ersten 50 Schlägen könnte ein Ergebnis des weltweiten Protests gegen den Umgang der saudischen Behörden mit dem Blogger sein. Der saudische König Abdullah ibn Abd al Aziz hat in der Vergangenheit zwar Reformen vorangebracht, steht aber im eigenen Land unter massivem Druck religiös-konservativer Kräfte, die vor einer Preisgabe wahhabitischer Werte warnen. Die offene Teilnahme Saudi-Arabiens an der Militärallianz gegen den „Islamischen Staat“ hatte den Druck auf den König noch erhöht, weil ein Teil der religiösen Elite einen Kampf an der Seite der USA gegen muslimische Glaubensbrüder ablehnt. Teil einer Strategie zur politischen Intervention zugunsten Badawis könnte der Versuch sein, dem König eine gesichtswahrende Lösung zu ermöglichen und durch den Konflikt nicht die konservativen Kräfte zu stärken. Für die deutsche Außenpolitik gilt Saudi-Arabischen als ein unverzichtbarer Partner für die Stabilität in der Region.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) erklärte, die Verschiebung des Vollzugs aus Gesundheitsgründen zeige die „absolute Brutalität dieser Bestrafung und unterstreicht ihre empörende Unmenschlichkeit“. Nach Angaben der Organisation ist ein Arzt nach einer Untersuchung Badawis zu dem Schluss gekommen, dass die Wunden durch die erste Auspeitschung noch nicht gut genug verheilt seien, um die Bestrafung fortsetzen zu können. Badawis Frau, die mit drei Kindern nach Kanada geflohen ist, sagte, die nächste Auspeitschung solle nun wahrscheinlich Freitag kommender Woche stattfinden.

Claudia Roth: Saudi-Arabien ideologisches Vorbild der ISIS-Mörder

Der Fall des Bloggers hatte weltweit für Empörung gesorgt. Auch die US-Regierung hatte die saudischen Behörden aufgefordert, von der „brutalen Bestrafung“ des Menschenrechtlers abzusehen und sicherzustellen, dass Meinungs- und Religionsfreiheit gewährleistet seien. Ähnlich äußerte sich die EU-Kommission. Am Donnerstag hatte sich auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) im Parlament zu dem Fall geäußert. Saudi-Arabien habe zwar die Anschläge in Paris verurteilt, aber nur zwei Tage später den Blogger öffentlich bestrafen lassen. Nicht nur durch vereinzelte Fanatiker, „auch mit staatlicher Autorität wird im Namen Gottes gegen Mindeststandards der Menschlichkeit verstoßen“, rügte Lammert.

Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) sagte, die Strafe sei „ nichts anderes als staatlich organisierte Barbarei“. Die saudische Politik und Rechtsprechung erwiesen sich „mit diesen Methoden klar als ideologische Vorbilder der ISIS-Mörder“. (mit dpa/AFP)

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