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Politik: Schaden ohne Entschädigung

Polens Regierung hält die Debatte um Reparationen für erledigt / Verfassungsexperte: Klage chancenlos

Warschau/Berlin - Schadensbegrenzung, das ist die Devise der polnischen Regierung nach der Entschädigungsforderung des Parlaments an Deutschland. „Die Regierung hält die Frage von Reparationen für erledigt“, sagte der polnische Botschafter Andrzej Byrt dem Tagesspiegel am Sonntag. „Wir legen großen Wert auf den gemeinsamen Dialog und die guten Beziehungen zwischen Polen und Deutschland.“ Ähnlich hatte sich Premier Marek Belka geäußert.

Deutsche Politiker reagierten verärgert. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sagte: „Das geistige Aufrüsten mit überlebten Forderungen muss beendet werden.“ CDU-Außenexperte Friedbert Pflüger sprach im NDR von einer törichten Retourkutsche auf Entschädigungsforderungen deutscher Vertriebener. SPD-Chef Franz Müntefering sagte, in den Forderungen sei schon „ein Stück Provokation“ drin.

Der Sejm hatte am Freitag von der eigenen Regierung verlangt, von Deutschland Entschädigungen zu fordern, und an die deutsche Regierung appelliert, Bundesbürger von Klagen auf Rückgabe ihres nach 1945 enteigneten Besitzes abzuhalten. Der Beschluss sei „eine Reaktion des polnischen Parlaments auf die Aktionen der Preußischen Treuhand“, sagte Botschafter Byrt. Die Vertriebenenorganisation unter ihrem Vorsitzenden Rudi Pawelka will in Polen auf Rückgabe von früherem Besitz klagen. In Kürze will die Organisation 15 Klagen vor polnischen und internationalen Gerichten einreichen. „Die Ursache für die Debatte kam von Herrn Pawelka und Konsorten, die in Polen dramatische Ängste ausgelöst haben“, so der Botschafter.

Die Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach sprach indes von einem schweren Versagen der Regierungen in Berlin und Warschau. Ihnen sei es auch 15 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nicht gelungen, sich zu verständigen. Sie bezeichnete es als „kardinales Versagen“ Berlins, notfalls nicht auch alleine für einen die Vertriebenen berücksichtigenden Rechtsfrieden gesorgt zu haben. Die Regierung wollte die Angelegenheit am Samstag nicht kommentieren. Ein Sprecher verwies lediglich auf die Rede von Gerhard Schröder Anfang August in Warschau, in der sich der Kanzler klar gegen Entschädigungsforderungen deutscher Vertriebener ausgesprochen hatte.

Während der Verfassungsrechtler Rupert Scholz (CDU) Klagen deutscher Privatleute nicht grundsätzlich für aussichtslos hält, gibt er Gegenforderungen des polnischen Staates keine Chance: „Das Thema Reparationen ist in jeder Form abgeschlossen“, sagte Scholz dem Tagesspiegel am Sonntag. Der 2+4-Vertrag regle diese Frage, „denn wenn in einem Friedensvertrag keine Ansprüche festgehalten werden, dann gibt es sie auch nicht.“ Sollten polnische Stellen – wie vom Sejm gefordert – Ansprüche stellen, „dann müsste Deutschland diese Forderungen ablehnen“. Anders liege der Fall bei Klagen deutscher Vertriebener: Der Staat könne seinen Bürgern nicht verbieten, im Ausland zu klagen, sagte Scholz. Schröders Verhalten, die Klagen zwar zu kritisieren, aber zu tolerieren, sei richtig: „Man kann gar nicht anders handeln.“

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