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Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mit seinem griechischen Kollegen Yanis Varoufakis.

© Michael Kappeler / dpa

Schäuble und Varoufakis im Streit: Die Angst um Europa

Das deutsch-griechische Verhältnis wirkt zerrüttet. Beteiligt ist daran Griechenlands Regierung - aber auch die deutsche. Warum Angela Merkel in der Auseinandersetzung mit den Griechen begütigen muss. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Dieser Ton! Diese gegenseitig dokumentierte Abneigung! Das deutsch-griechische Verhältnis mag man gar nicht mehr so nennen. Zerrüttet wirkt es, zerredet auch. Beteiligt ist daran Griechenlands Regierung – aber auch die deutsche. Und das, wo es um Europa geht.

Als Erstes zur griechischen Regierung. Die ist wirklich eine seltsame Allianz, eine die es nach – zumal linkem – Selbstverständnis gar nicht geben dürfte. Mit Rechtspopulisten, ja Rechtsradikalen koalieren, wo kommen wir denn da hin? Jedenfalls nicht zu einem guten Ende. Rauswerfen müsste Syriza die verrückten Rechten. Oder ist eigene Glaubwürdigkeit ihr nichts wert? Wenn das ein großer, hintersinniger Plan sein soll, dann geht er doch nicht auf.

Varoufakis denkt gar nicht daran, den Mund zu halten

Aber auch bei der Linken geht es so nicht weiter. Alexis Tsipras, der Premier, sagt einmal, zweimal, dreimal, dass seine Minister sich medial mäßigen sollen. Beleidigungen oder öffentliche Erpressungen – nur Dilettanten können glauben, dass Verhandlungen so zum Erfolg führen. Aber der Finanzminister, Yanis Varoufakis, denkt gar nicht daran, den Mund zu halten. 30 Interviews in 40 Tagen – oder war es umgekehrt? Gleichviel, der Premier wird, wenn das bleiben will, durchgreifen müssen. Oder er wird seine Autorität verlieren. Da schürzt sich ein Machtkampf. Es kann nicht mehr lange dauern.

Die deutsche Regierung ist allerdings auch nicht ohne. Man kann schon verstehen, dass andere ihren Ton als herrisch empfinden. Wolfgang Schäuble, der Schatzkanzler, wird sagen, manches sei doch Ironie. Aber so wie es die Schrifttype nicht gibt, die allen Missverständnissen vorbeugt, so können Bemerkungen anstatt als ironisch auch als gallig aufgefasst werden. Oder als überheblich.

Und ein Ende ist noch nicht in Sicht. Statt Athen mit einem Hilfs- und Gesprächsangebot nach dem anderen gleichsam matt zu setzen – ob es sich um ganz praktische Hilfe bei der Steuerfahndung und beim Eintreiben von Schulden gegenüber dem Staat geht oder um das gemeinsame Nachdenken über Reparationen für erlittenes Unrecht, scheint Schäuble Folgsamkeit zu verlangen. Wie ein Oberlehrer oder wie ein Präzeptor. So kommt es zumindest an.

Abgesehen davon, dass derart viel Verletzendes, Kränkendes an Worten gewechselt worden ist – wer sagt, dass Schäuble nicht aus Angst um Europa, sein Europa, so redet? Diplomatisch wäre anderes gewesen. Zum Beispiel anzuerkennen, und sei es mit Vorbehalt, dass Syriza die erste Partei ist, die vorgibt, gegen alte Eliten vorzugehen. Wenigstens das. Immerhin das.

Spielen Merkel und Schäuble mit verteilten Rollen?

Was aber noch ankommt, ist die Divergenz im Reden. Der Regierungssprecher betont, dass die Griechen Freunde seien. Er sagt, dass die Bundeskanzlerin den griechischen Premier eingeladen habe. Ja etwa, um Tsipras zu ermahnen? Oder um ihn zu gewinnen? Oder soll das etwa heißen, dass Angela Merkel und Wolfgang Schäuble ein Spiel mit verteilten Rollen spielen?

Das versucht Merkel jetzt. Manchmal wird erst im Nachhinein zur Strategie verklärt, was vorher keine war. Doch sie kann tatsächlich noch begütigen. Als Bundeskanzlerin hat Merkel auch allen Grund dazu. Denn wenn Deutschland zahlt, aber permanent meckert, ruft das Widerstand hierzulande hervor und bei den Griechen immer mehr. Wer Europa will, kann das nicht wollen.

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