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Wolfgang Schäuble (CDU).

© Kay Nietfeld/dpa

Schäuble zieht sich von Parteispitze zurück: Wie viel Erneuerung braucht die CDU?

Wolfgang Schäuble will bei der Neuwahl der CDU-Spitze nicht antreten. Als Erneuerung geht das kaum durch. Es zeigt aber das Dilemma der CDU.

Von Robert Birnbaum

Es wirkt wie der nächste Dominostein in einer Kaskade, die Peter Altmaier und Annegret Kramp-Karrenbauer angestoßen haben. Doch der Rückzug von Wolfgang Schäuble aus der CDU-Spitze geht in Wahrheit nur bedingt als Erneuerung durch.

Und das nicht, weil der 79-Jährige den Sitz im Bundestag behält und der bayerische JU-Chef und Markus-Söder-Spezi Christian Doleschal ihn kritisiert. Der Verzicht des Dienstältesten ist aus anderem Grund so richtig gar keiner.

Er weist trotzdem auf ein Dilemma hin: Wieviel Erneuerung braucht die CDU – und wieviel davon ist machbar?

Schäuble selbst ist ein Sonderfall. Er saß seit 40 Jahren im Parteipräsidium, jedoch seit 2017 nicht mehr als Gewählter, sondern kraft des Amtes als Bundestagspräsident.

Durch Wahl zu besetzen sind im Präsidium aber lediglich zwölf Plätze neben Chef, General und Schatzmeister. Der Vorstand bietet 26 Wahlpositionen. Für einen einfachen Abgeordneten Schäuble bleibt da kein Platz.

Um den Willen zur Erneuerung zu demonstrieren, braucht es ohnehin mehr. Für die Außenwirkung sind vor allem die fünf Vize-Posten wichtig. Die noch amtierende Riege wird sich indes kaum zu ihrer Zukunft äußern, bevor die Vorsitz-Frage geklärt ist.

Ungeklärte Nachfolgefragen erschweren den Neuanfang

Jens Spahn etwa schielt selbst Armin Laschets Nachfolge. Andere stehen vor offenen Nachfolgefragen im Landesverband: Der Hesse Volker Bouffier, die Rheinland-Pfälzerin Julia Klöckner, mittelfristig der Baden-Württemberger Thomas Strobl.

Bei Klöckner erschiene ein Rückzug trotzdem konsequent. Sie hat schon den Landesvorsitz niedergelegt und künftig auch kein Ministeramt mehr in Berlin.

Noch in Amt und Würden: Wolfgang Schäuble unter den Spitzen der Republik beim Afghanistan-Appell
Noch in Amt und Würden: Wolfgang Schäuble unter den Spitzen der Republik beim Afghanistan-Appell

© Kay Nietfeld/dpa

In Hessen etwa gilt dagegen als offen, wer Bouffier beerbt; die Liste denkbarer Nachfolger reicht von Innenminister Peter Beuth bis zum scheidenden Kanzleramtschef Helge Braun. Der Sonder-Bundesparteitag im Dezember oder Januar könnte den Hessen quasi die Entscheidung aufzwingen, wen sie künftig auch bundesweit prominent platzieren wollen.

Dass Bouffier mit seinen 69 Jahren noch einmal antritt, gilt aber als genauso schwer vorstellbar.

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Nur die fünfte Vize-Vorsitzende Silvia Breher darf wohl als gesetzt gelten, obwohl von ihr bisher wenig zu hören war. Aber sie ist erst 48, Frau und vor allem: aus Niedersachsen.

Denn der Länderproporz spielt in der Föderalpartei CDU eine große Rolle, oft größer als inhaltliches Profil. Dass das im nächsten Vorstand grundlegend anders wird, glauben nicht viele. „Wir müssten versuchen, beides zu kombinieren“, sinniert ein Spitzenmann. Dass Wirtschafts- und Sozialflügel ebenfalls berücksichtigt werden wollen, macht das Kombinieren nicht einfacher. Auch deshalb war der Wunsch nach einer einvernehmlich geschnürten Teamlösung in der Sitzung am vorigen Montag öfter zu hören.

Jung allein garantiert auch keine Erneuerung

Weiblicher soll dieses Team werden – die Frauen-Union mit einem Drittel der Delegiertenstimmen bei jedem Parteitag im Rücken hat ihren Anspruch deutlich angemeldet. Jünger soll es auch werden – die Junge Union will am Wochenende auf ihrem Deutschlandtag darauf pochen.

Doch jung allein ist auch kein Kriterium. Gerade die Jugendorganisation müsse sich fragen, wieso die CDU bei Jungwählern so stark verloren habe, sagt ein Älterer und spottet: Vielleicht liege es daran, dass viele Jungkonservative konservativer aufträten als ihre Großeltern?

Entscheidend für die Frage, ob die CDU in vier Jahren als wieder regierungsfähig wahrgenommen wird, dürfte ohnehin eher die mittlere Generation werden: Personen mit Erfahrung und Zukunft zugleich. Die Saarländerin und Digitalexpertin Nadine Schön wird oft genannt, für die Altmaier und AKK den Weg zurück in den Bundestag frei räumten, oder der Umweltfachmann Andreas Jung aus Baden-Württemberg.

[Lesen Sie auch: Wolfgang Schäubles Einfluss schwindet (T+)]

Wer dafür seinen Platz räumen muss – auch das kann von neuen Vorsitzenden abhängen. Ein konservativer Flügelstürmer wie Friedrich Merz bekäme wohl andere zur Seite als ein Liberaler wie Norbert Röttgen.

Immerhin erleichtert die Oppositionsrolle den Umbau. Denn eine Reihe von Präsidiums- und Vorstandsmitliedern von der Kulturbeauftragten Monika Grütters bis zum Ostbeauftragten Marco Wanderwitz verdankten bisher dem Regierungsamt die Prominenz. Als Personen ohne Funktion sinken ihre Chancen auf Wiederwahl beträchtlich.

Zwei aus der Riege der Länder-Regierenden könnten dafür umgekehrt ein gesteigertes Interesse an einem gewählten Sitz im Präsidium haben: Tobias Hans und Daniel Günther.

Den Ministerpräsidenten an Saar und Kieler Förde, 43 und 48 Jahre alt, könnte es sonst schnell so ergehen wie dem Urgestein Schäuble. Auch Hans und Günther sitzen noch qua Amt im engsten Führungskreis. Doch im Frühjahr müssen sie sich Landtagswahlen stellen.

Wirkt der CDU-Einbruch nach, sind sie das Ministerpräsidentenamt los und den reservierten Sitz dazu. Als Landesparteichefs dürften sie zwar weiter zum Vorstand komme. Aber der engere Führungskreis im Präsidium wäre ihnen ab da versperrt.

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