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Politik: Schäubles Buch: Chronologie eines großen Zerwürfnisses

Er hat ihn nicht angeschaut, nicht eines einzigen Blickes würdigen wollen. Aber die hingestreckte Hand musste er ergreifen, um nicht auch die Feiern zum Zwei-plus-Vier-Vertrag wieder zur Affäre zu machen.

Er hat ihn nicht angeschaut, nicht eines einzigen Blickes würdigen wollen. Aber die hingestreckte Hand musste er ergreifen, um nicht auch die Feiern zum Zwei-plus-Vier-Vertrag wieder zur Affäre zu machen. Wolfgang Schäuble und Helmut Kohl - was politisch auf ewig miteinander verbunden schien, ist menschlich zerbrochen. Schäuble hat jetzt seine Chronologie eines großen Zerwürfnisses vorgelegt.

"Mitten im Leben" heißt der Titel des Buchs, das der "Kanzler im Konjunktiv" geschrieben hat, der Mann, der hätte Kanzler werden können - wenn Kohl nicht Kohl wäre. 18. Januar, 8.30 Uhr im Büro des Ex-Kanzlers, der auch den Ehrenvorsitz verloren hat: "Trittst du zurück", lautet die Frage des Duzfeindes Helmut. Mitgefühl wegen des enormen Drucks, der auf Freund Wolfgang lastet; wegen des riesigen Skandals, der auch auf ihn selbst zurückzuführen ist? Keine Spur. Es ist doch eigentlich alles nicht so schlimm, findet Kohl, alles nicht so tragisch. Schlimm findet er nur die Spende des Waffenhändlers Karlheinz Schreiber an Schäuble - genau das ist Kohl. Von wegen Mitgefühl. Gerührt ist er nur von sich selber.

Mitten im Leben, so lautete das Motto der kurzen Zeit, in der Wolfgang Schäuble CDU-Vorsitzender war. Er war in dieser Zeit so erfolgreich wie kein Zweiter, nicht einmal Kohl. An dem vorbei zu kommen, war ihm vorher nicht gelungen, jetzt wollte es Schäuble ihm beweisen - und auch sich. Die Stellen, die jetzt im "Stern" zu lesen sind, zeigen, dass die CDU-Führung seine Leistung zu würdigen wusste. Er schildert es ohne Genugtuung, bemüht sich um einen sachlichen Ton - so ist Schäuble.

Der Vorabdruck steht im "Stern". Das ist ein Zeichen: Schäuble vergisst nicht. Der Journalist Hans-Peter Schütz hat ihn immer hart, aber immer fair behandelt; davon profitiert jetzt die Illustrierte. Ein wenig zählt sicher auch, dass Kohl den "Stern" zu der Presse zählt, die ihn bekämpft. Und Angela Merkel stellt das Buch am 5. Oktober vor!

Ein Blick zurück ist dieser Vorabdruck, und er offenbart: Schäuble wird sich mit Kohl nicht versöhnen. Aus seiner Sicht ist es sicher schon ein Entgegenkommen, dass er nicht alles geschrieben hat, was er weiß. Zum Beispiel, in welchen Büros nach der Meldung von seinem Abschied die Sektkorken knallten.

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