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Politik: "Schandurteil" zur Kinderpornografie: Italiens Oberstes Gericht sorgt mit einer Entscheidung zu pädophilen Fotos für Debatten

Mit einem neuen Urteil in Sachen Sexualdelikte hat Italiens Oberstes Gericht, die Kassation, eine heftige Debatte ausgelöst: Danach darf, wer Pornofotos Minderjähriger herstellt, nicht wegen Ausbeutung der Kinder oder Jugendlichen belangt werden, wenn er keine Gewinnabsichten dabei verfolgt. Im konkreten Fall war ein pädophiler Lehrer, der Nacktfotos seiner Nachhilfeschüler hergestellt hatte, in den unteren Instanzen zwar wegen sexueller Belästigung Minderjähriger verurteilt worden, nicht aber wegen des weitergehenden Delikts der Ausbeutung Minderjähriger zur Pornographie, das in Italien mit zehn Jahren Gefängnis bestraft wird.

Mit einem neuen Urteil in Sachen Sexualdelikte hat Italiens Oberstes Gericht, die Kassation, eine heftige Debatte ausgelöst: Danach darf, wer Pornofotos Minderjähriger herstellt, nicht wegen Ausbeutung der Kinder oder Jugendlichen belangt werden, wenn er keine Gewinnabsichten dabei verfolgt. Im konkreten Fall war ein pädophiler Lehrer, der Nacktfotos seiner Nachhilfeschüler hergestellt hatte, in den unteren Instanzen zwar wegen sexueller Belästigung Minderjähriger verurteilt worden, nicht aber wegen des weitergehenden Delikts der Ausbeutung Minderjähriger zur Pornographie, das in Italien mit zehn Jahren Gefängnis bestraft wird.

So musste der Täter zudem sofort aus dem Gefängnis entlassen werden - wogegen der Staatsanwalt Widerspruch eingelegt hatte. Wegen der prinzipiellen Bedeutung des Falles hatte danach der Generalstaatsanwalt von Biella in Piemont den Fall direkt dem Kassationsgerichtshof vorgelegt. Und der hat den Freispruch in Sachen Ausbeutung nun rechtskräftig abgewiesen.

Die höchsten Richter Italiens berufen sich dabei auf den Wortlaut des Paragraphen 600 c des Strafgesetzbuches, der Pornographie ausdrücklich nur dann unter Strafe stellt, wenn damit Profitinteressen verbunden sind - in "totaler Verkennung dessen", so Ernesto Caffo, der Vorsitzende des Kinderschutzbundes "Telefono Azzurro", "dass die Pädophilen sich in Clubs organisieren und ihre Fotos untereinander austauschen." Eine Bezahlung in Naturalien sozusagen, die daher durchaus der Gewinnerzielungsabsicht gleichzustellen sei. "Außerdem", so Marco Griffini, Präsident der Vereinigung "Amici die bambini", "ist die Profitabsicht, so wie sie das Gesetz sieht, in diesen Zirkeln sowieso immer nur sehr schwer nachzuweisen."

Die Abgeordnete Maretta Scoca vom Christlich Demokratischen Zentrum, selbst Strafrechtsexpertin, sieht in dem Urteil vor allem eine "glatte Niederlage des Gesetzgebers": Tatsächlich war das Gesetz Ende der 90er Jahre angesichts dramatisch angestiegener Verbreitung der Kinder-Pornographie und immer neuer Fälle von sexuellen Missbrauchs Minderjähriger im In- und Ausland mit ziemlich heißer Nadel zusammengestoppelt und durchs Parlament gepeitscht worden, ohne Hearing und ohne Beachtung kritischer Einwände von Fachleuten. "Die Konsequenz", so Anwältin Scoca, "ist die, dass trotz des sexuellen Missbrauchs der Eindruck entsteht, man dürfe solche Fotos von Kindern geradezu ungestraft machen." Kenner der Urteilsfindung im Kassationsgerichtshof vermuten denn auch, dass die Oberrichter mit ihrem "Schandurteil" weniger Milde gegenüber dem Täter ausdrücken wollten, als vielmehr den Gesetzgeber zur Novellierung des einschlägigen Paragraphen veranlassen wollten. Dafür spricht auch, dass das Urteil in gemeinsamer Sitzung sämtlicher bei der Kassation tätigen Gerichtshöfe gefasst wurde. Schon in anderen Fällen hatten die Richter besonders pingelig entschieden und damit das Parlament zum Handeln gezwungen.

Allerdings zeichnet sich die Rechtssprechung des Kassationshofs auch nicht immer durch besondere Konsequenz aus: Mal werden höchst fortschrittliche Urteile gefällt, etwa wenn die Definition von Vergewaltigung nicht mehr auf die "totale Penetration" abgestellt wird, sondern bereits Betasten und orale Praktiken als vollendetes Delikt eingestuft werden. Dann aber gilt es den Richtern wiederum nicht als besonders verwerflich, wenn eine Frau, die im siebten Monat schwanger ist, vergewaltigt wird und Gefahr läuft, eine Frühgeburt zu erleiden. So ist auch im vorliegenden Fall vor allem der Gesetzgeber gefordert. Nächste Woche will die Regierung einen entsprechenden Gesetzentwurf einbringen, um Pornographie mit Kindern auch ohne Bezug auf Profit als Ausbeutung unter Strafe zu stellen.

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